Wie gesunde Böden dabei helfen, den Klimawandel aufzuhalten
Für viele mag er einfach aussehen wie Erde oder Dreck. Doch der Boden – das komplexe Ökosystem aus Mineralien und zahlreichen lebenden Organismen – die Grundlage dafür, dass wir gesunde Pflanzen und Nahrungsmittel anbauen können. Doch der Boden kann noch mehr für uns tun. Wir haben mit Charles Foresman, dem Leiter für Sustainable Agriculture Systems bei Bayer, darüber gesprochen, wie wir durch ein besseres Verständnis dieses wichtigen Ökosystems auf nachhaltigere Weise Landwirtschaft betreiben und gleichzeitig dem Klimawandel entgegenwirken können.
Herr Foresman, in den letzten Monaten hat Bodengesundheit in der Öffentlichkeit mehr Beachtung gefunden. Warum ist sie so wichtig für uns Menschen?
Für die Entstehung und den Untergang ganzer Zivilisationen ist seit jeher die Gesundheit ihrer Böden maßgeblich gewesen, da sie die Voraussetzung für erfolgreiche Ernten ist. Böden werden außerdem immer wichtiger für die Nahrungsmittelproduktion und Ernährungssicherheit. Wir haben in den vergangenen 150 Jahren fast die Hälfte des Mutterbodens auf der ganzen Welt verloren und es kann Tausende von Jahren dauern, bis sich nach einer Erosion eine dünne Schicht Muttererde neu bildet. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns auf Bodengesundheit fokussieren, um auch in Zukunft unsere Nahrungsmittelversorgung zu sichern.
Nur 11 % der Böden auf der Erde gelten als gesund genug für eine landwirtschaftliche Nutzung.
Was ist die Ursache für Bodenerosion und wie können Landwirte sie verhindern?
Wenn der Boden bei der Bewirtschaftung aufgelockert und gewendet wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass er bei Wind und Regen abgetragen wird. Mit modernen Ackerbaumethoden wie Direktsaat bleibt der Boden ungestört, was die Bodengesundheit fördert. Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Bodengesundheit und Verminderung von Erosion ist der Anbau von Zwischen- und Deckfrüchten, die zwischen den Vegetationsperioden der Hauptkultur des Landwirts gepflanzt werden. All das trägt dazu bei, dass Nährstoffe und organische Substanzen im Boden erhalten bleiben und folglich die Ernte besser wird. Wir haben in den letzten fünf Jahren mehr Erkenntnisse über die Bodengesundheit gewonnen als in den letzten fünf Jahrzehnten und verstehen nun besser, wie das Ökosystem funktioniert und wie wir mit der Natur arbeiten können.
Glauben Sie, dass Landwirte besser als vor 50 Jahren verstehen, warum die Erhaltung der Bodengesundheit wichtig ist?
Mein Vater war Landwirt. In seiner Generation musste man den Boden ständig bearbeiten, um Unkraut in Schach zu halten. Diese dauernde Störung des Erdreichs ist womöglich das Schlimmste, was man seinem Boden antun kann, da sie im Laufe der Zeit zu weiterer Erosion und Abtragung sowie zu CO2-Freisetzung in die Atmosphäre führt. Mit der Einführung moderner Pflanzenschutzmittel zur Unkrautbekämpfung konnten Landwirte auf diese Praktiken verzichten. Durch Verringerung der Bodenbearbeitung sinken auch Treibstoff- und Energieverbrauch und -kosten. Wenn ich an die nächste Generation von Landwirten und Verbrauchern denke, dann steht Nachhaltigkeit an erster Stelle. Ich denke auch, dass das die Art und Weise verändert, wie Landwirte ihren Boden intakt halten und Nahrungsmittel umweltverträglicher anbauen.
Wie können wir Landwirtschaft nachhaltiger betreiben und gleichzeitig die Lebensmittelproduktion für eine wachsende Bevölkerung erhöhen? Ist das nicht paradox?
Wir müssen die Produktivität der Flächen, die wir bereits landwirtschaftlich bestellen, auf nachhaltige Weise steigern. So können wir die Biodiversität und Umwelt in Regionen schützen, die wir ansonsten für den Anbau weiterer Nahrungsmittel bräuchten, beispielsweise sensible Gebiete wie Wälder. Es gibt diesbezüglich mehrere Möglichkeiten. Neue Saatgutsorten, die an die konkreten Anbauumgebungen angepasst sind, effektive Pflanzenschutzprodukte und digitale Hilfsmittel sind unerlässlich, um unser Ackerland optimal zu nutzen. Die Anwendung dieser Tools und Verfahren ist nicht nur zur Deckung des Lebensmittelbedarfs wesentlich, sondern auch zur Unterstützung des Kampfs gegen den Klimawandel. Auch in dieser Hinsicht ist ein gesunder Boden von größter Bedeutung.
Mit nachhaltiger Bodenbewirtschaftung haben wir die Möglichkeit, bis zu 58 % mehr Nahrungsmittel zu erzeugen.
Können Sie das etwas genauer erklären?
Einfach ausgedrückt, kann Kohlendioxid, das den Klimawandel vorantreibt, im Boden eingelagert werden. Dieser Vorgang wird als Kohlendioxidbindung bezeichnet. Dahinter steht das Konzept, CO2 aus der Atmosphäre einzufangen und über Pflanzen und Wurzeln in den Boden zu leiten. Nach unserem Wissensstand haben Praktiken wie Direktsaat und Deckfrüchte zusammen ein großes Potenzial, Kohlendioxid zu binden und dauerhaft im Boden zu speichern. Wenn man sich nun vorstellt, dass wir diese Verfahren auf die Millionen von Hektar an aktuell landwirtschaftlich genutzten Flächen erweitern können, dann könnte das eine durchschlagende Maßnahme gegen den Klimawandel sein. Weitere Beispiele jenseits der Landwirtschaft sind der Schutz und die Aufforstung von Wäldern. Bayer unterstützt Initiativen in beiden Bereichen. Es gibt keine Wunderwaffe im Kampf gegen den Klimawandel, aber die Landwirtschaft kann langfristig eine maßgebliche Rolle spielen.
Was tut Bayer genau, um eine klimaneutrale Landwirtschaft zu fördern oder Anreize für Verfahren zur Kohlendioxidbindung zu bieten?
Der Klimawandel hat oberste Priorität. Insofern denke ich, dass wir einerseits darüber aufklären können, welche Wirkkraft die Landwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel haben kann, und zwar sowohl inner- als auch außerhalb des Agrarsektors. Andererseits können wir unser Unternehmen auf vorbildliche Weise führen. Unsere Maßstäbe für Nachhaltigkeit zeigen, dass wir bei Bayer danach streben, Worten Taten folgen zu lassen, indem wir Treibhausgasemissionen reduzieren und umweltverträglich handeln. Bayer hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 100 Millionen Kleinbauern in Entwicklungsregionen zu unterstützen, indem wir den Zugang zu landwirtschaftlichem Fachwissen, zu Produkten und Dienstleistungen sowie zu Partnerschaften verbessern. Bayer hat außerdem diesen Sommer eine Initiative angekündigt, um Landwirte in Brasilien und den USA mit CO2-Emissionsgutschriften für die Einführung klimafreundlicher Verfahren zu belohnen, die dazu beitragen, dass der CO2-Fußabdruck und die Treibhausgasemissionen ihrer Betriebe reduziert werden.
Es kann 2.000 Jahre dauern, bis aus Muttergestein 10 Zentimeter fruchtbarer Boden entsteht.
Welche Chancen sehen Sie für eine nachhaltigere Landwirtschaft in der Zukunft?
Wenn ich überlege, woran ich vor zehn Jahren gearbeitet habe, und damit vergleiche, welche Instrumente und Ideen es jetzt gibt, haut mich das förmlich um. Das gilt sowohl für die Landwirtschaft als auch die Technologie im Allgemeinen. Smartphones, Software und andere Tools verändern alles – unsere Arbeitsweisen ebenso wie unsere Kommunikationsformen. Eben diese Lösungen bereichern auch Landwirte mit innovativeren und digitalen Managementoptionen, die damit bei geringerem Ressourceneinsatz mehr anbauen können, und das bei einem zunehmend unberechenbaren Klima. Nachhaltigkeit hat außerdem heute einen höheren Stellenwert. Deshalb investieren wir mehr, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie wir unsere Ziele auf diesem Gebiet vorantreiben. Es gibt mehr konzertierte Maßnahmen zur Investition in Technologien, mit denen Landwirte ihren Ertrag auf nachhaltigere Weise steigern können. Daher ist der Blick in die Zukunft aufregend und bietet zugleich Potenzial für Verbesserungen und ein großes Maß an Innovation.
Über Charles Foresman:
Charlie ist der Sustainable Agriculture Lead für Mais- und Sojabohnensysteme bei Bayer. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Agronomie, Pflanzenzüchtung und Nachhaltigkeit. Charlie ist auch ein aktives Mitglied einer Familienfarm in West-Illinois.