Unternehmensgeschichte

Die Zeit der I.G. Farbenindustrie AG (1925–1945)

Fusion zur I.G. Farbenindustrie AG

Nach der Stabilisierung der Weltwirtschaft Mitte der 1920er Jahre wird klar, dass die deutsche Farbstoffindustrie ihre alte Stellung auf dem Weltmarkt nicht wiedergewinnen kann. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Märkte zu gewinnen, entschließen sich sechs deutsche Unternehmen 1925 zum Zusammenschluss in der Interessengemeinschaft Farbenindustrie AG, oder kurz: I.G. Farben. Genau wie die anderen Firmen überträgt Bayer sein Vermögen auf die I.G. Farben und wird als eigenständiges Unternehmen im Handelsregister gelöscht.

 

Zur Betriebsgemeinschaft Niederrhein der I.G. gehört neben den Werken Leverkusen, Dormagen und Elberfeld auch das Werk Uerdingen. Leverkusen wird außerdem zum Standort der Verkaufsgemeinschaft Pharma der I.G. - mit dem Bayer-Kreuz als Markenzeichen.

Die I.G. Farben und der Zweite Weltkrieg

Seit 1936 zielt die Politik des nationalsozialistischen Regimes systematisch auf die Vorbereitung des Krieges. Als schließlich 1939 der Zweite Weltkrieg ausbricht, stuft das Regime die Werke der Betriebsgemeinschaft als einen der „kriegs- und lebenswichtigen“ Betriebe der deutschen Wirtschaft ein. Die I.G. Farben profitiert wirtschaftlich massiv, sieht die Möglichkeit zu neuem Aufschwung und erhöht die Produktion. Gleichzeitig wird ein Großteil der männlichen Belegschaft zur Wehrmacht eingezogen.

Zwangsarbeit in den I.G.-Werken der „Betriebsgemeinschaft Niederrhein“

Für den Erhalt und den Ausbau der Produktionskapazitäten setzt die I.G. Farben innerhalb der „Betriebsgemeinschaft Niederrhein“ ab 1940 zunehmend Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern Europas ein. Zeitweise machen sie bis zu einem Drittel der Belegschaft aus.

 

Insgesamt werden in den Niederrheinwerken während des Krieges rund 16.000 Menschen eingesetzt. Vor allem aus Polen, der Ukraine und weiteren osteuropäischen Ländern werden Tausende gegen ihren Willen und unter unmenschlichen und diskriminierenden Bedingungen zum Arbeitseinsatz gezwungen. Die jüngsten sind 14, die ältesten knapp 50 Jahre alt.

 

Einen bedeutenden Teil machen zudem Personen aus West- und Nordeuropa aus. Darunter Menschen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Spanien und Dänemark.

Dr. Hans Finkelstein: Die I.G. und die Verdrängung von jüdischen Mitarbeitenden

Dr. Hans Finkelstein conversing with colleagues. View of a laboratory at the Uerdingen site, 1932. Photo: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen
Dr. Hans Finkelstein im Gespräch. Laboransicht aus dem Werk Uerdingen, 1932. Foto: Bayer AG, Bayer Archives Leverkusen

Dr. Hans Finkelstein (1885-1938) ist wissenschaftlicher Forschungsleiter der früher selbständigen Firma „Chemische Fabriken vorm. Weiler - ter Meer“ in Uerdingen, die wie die „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.“ mit ihren Werken Leverkusen, Elberfeld und Dormagen im Jahr 1925 in der neugegründeten I.G. Farbenindustrie AG aufgeht. Sein Schicksal steht stellvertretend für Menschen mit jüdischem Hintergrund oder jüdischer Religionszugehörigkeit.

 

Finkelstein entwickelt als junger Wissenschaftler die heute noch bekannte “Finkelstein-Reaktion”. 1911 tritt er bei Weiler-ter Meer als Chemiker ein. Im obligatorischen Fragebogen für Akademiker trägt er unter der Rubrik „Religion“: evangelisch-lutherisch ein. Er wird Leiter des wissenschaftlichen Laboratoriums und erhält Prokura. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den „Nürnberger Rassengesetzen“ wird er als „Jude“ und „Nichtarier“ definiert. Er stammt aus einer liberalen jüdischen Familie. Obwohl er als Zehnjähriger zum Protestantismus konvertiert, veranlassen die NS-Stellen seinen Austritt aus dem Unternehmen und fordern seinen Reisepass ein. Dieses Schicksal ereilt Hans Finkelstein Mitte 1938, nachdem er zuvor bereits diskriminiert wird. Verbittert und zutiefst desillusioniert wählt er Ende Dezember 1938 im Uerdinger Stadtpark den Freitod. Mit seiner Ehefrau Annemarie hat er drei Kinder. Sein Sohn Berthold leistet später als sogenannter „Halb-Jude“ im selben Betrieb Zwangsarbeit.

Die I.G. Farben und das KZ Buna-Monowitz

View of the construction site for the Buna synthesis plant at the I.G. Auschwitz-Monowitz site, circa 1943/44. © Frankfurt am Main, Fritz Bauer Institute
Übersicht über die Baustelle des Buna-Synthesewerks im I.G. Werk Auschwitz-Monowitz, um 1943/44 © Frankfurt am Main, Fritz Bauer Institut

Im Zweiten Weltkrieg lässt die I.G. Farben ab 1941 in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Auschwitz eine chemische Fabrik zur Produktion von Buna errichten, einem für die Kriegswirtschaft wichtigen synthetischen Kautschuk. Neben deutschen Fachkräften setzt das Unternehmen für den Bau der Anlage tausende Häftlinge aus dem KZ Auschwitz ein. Dazu kommen Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus ganz Europa. Um die Arbeitskräfte auf der damals größten Baustelle des ”Dritten Reiches” unterzubringen, errichtet der I.G. Farben-Konzern ab 1942 in Zusammenarbeit mit dem NS-Regime das firmeneigene KZ Buna-Monowitz. Durch die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen kommen dort massenhaft Menschen zu Tode oder werden in den nahegelegenen Gaskammern in Auschwitz-Birkenau ermordet, sobald sie nicht mehr arbeitsfähig sind. Die Lebenserwartung der Insassen liegt bei weniger als vier Monaten und über 25.000 Menschen sterben allein auf der Baustelle.