Product Supply

„Berge versetzen“, um gegen alle Widerstände pünktlich zu liefern

MEdical

Seit dem Beginn der Pandemie kennen wir die Situation, dass Produkte in den Supermärkten ausverkauft sind oder wir länger auf unsere Bestellungen warten müssen. Hinter den Kulissen arbeiten Product-Supply-Abteilungen unter Hochdruck, um nie zuvor dagewesene Herausforderungen zu meistern. Denn manche Produkte dürfen einfach nicht fehlen. Bei Bayer gehen Teams rund um den Globus über das normale Maß hinaus um sicherzustellen, dass lebenswichtige Produkte rechtzeitig bei den Kunden ankommen – damit Landwirte weiterhin unsere Nahrungsmittel anbauen und sich Patienten auf ihre Medikamente verlassen können.

Während einige Bereiche des öffentlichen Lebens nach und nach zur Normalität zurückkehren, haben sich die Logistik und die Lieferketten noch immer nicht von den durch die Corona-Pandemie ausgelösten Störungen erholt. Volatile Verfügbarkeit von Waren, unvorhersehbare Lagerbestände, blockierte Container, Arbeitskräftemangel und neue Lockdowns wie im Frühjahr in China gehören zu den Gründen dafür, dass die Situation weit entfernt davon ist, wieder „normal“ zu werden. Und der russische Einmarsch in die Ukraine hat seinen Teil dazu beigetragen, dass Hoffnungen für eine Erholung, die vielleicht Anfang 2022 langsam aufkamen, zunichtegemacht wurden.


Unternehmen in aller Welt setzen alle Hebel in Bewegung, um die Materialien zu beschaffen, die sie brauchen, um ihre Produkte an die Kunden ausliefern zu können. In einer Befragung des deutschen Ifo-Instituts gaben 74,1 Prozent der teilnehmenden Industrieunternehmen an, dass sie es weiterhin mit Produktionsschwierigkeiten aufgrund von Beschaffungsproblemen zu tun haben. Bei Bayer finden Teams aus den Bereichen Product Supply und Commercial Operations kreative Wege und zeigen großen Einsatz, um ihren Verpflichtungen gegenüber den Kunden nachzukommen und die Produktion aufrechtzuerhalten.

Sie verabschieden sich von alten Methoden, stehen Veränderungen und neuen Lösungen offen gegenüber, haben immer einen Plan B in der Tasche und setzen auf Teamwork. So meistern sie den Weg von permanenter Schadensbegrenzung hin zu nachhaltiger Widerstandsfähigkeit.

 

Hier erzählen Bayer-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, wie sie die schwierige Situation gemeistert haben.

Selbst wenn alles reibungslos läuft, haben es Supply Manager Ewa Karaszewska und ihr Team bei Bayer Pharmaceuticals in Basel und Barcelona bei der Krebstherapie Xofigo mit einer besonderen Herausforderung zu tun: Xofigo ist radioaktiv und hat eine extrem kurze Halbwertszeit. Vom Start der Produktion an muss es in 28 Tagen geprüft, verpackt, freigegeben und an Krankhäuser weltweit geliefert werden. Die genauen Behandlungstage der Patienten werden dabei im Vorfeld genau festgelegt. 


Seit das reguläre Distributionsnetzwerk zu Beginn der Pandemie erheblich gestört wurde, konzentriert sich das Team auf die Stärkung der Lieferflexibilität, um sich an immer neue Partner und sich dynamisch verändernde Prozesse anzupassen. Ein besonderes Beispiel dafür war die Versorgung von Patienten in Taiwan, als der normale Weg – Versorgung mit in Norwegen produziertem Xofigo – durch Corona-bedingte Reisebeschränkungen plötzlich nicht möglich war.

 

„Im April 2020 war unser Werk in den USA als alternative Quelle noch rund ein Jahr davon entfernt, auf diesen Markt operativ vorbereitet zu sein. Es fehlte sogar die Genehmigung aus Taiwan. Also sind wir das Problem von zwei Seiten angegangen: Wir haben alles daran gesetzt, eine Genehmigung der taiwanesischen Behörden für in den USA hergestelltes Xofigo zu erhalten, und gleichzeitig noch intensiver nach einer Fluggesellschaft gesucht, die Xofigo von Europa aus nach Taiwan bringen könnte“, erläutert Ewa Karaszewska. „Wir waren sehr stolz, als klar wurde, dass wir beide Ziele erreichen würden: eine Ausnahmegenehmigung zur Produktion in den USA und die Wiederaufnahme der Lieferungen aus Europa mit einer anderen Fluggesellschaft.“

Mandy Mohrbach, Senior Supply Chain Operations Manager im amerikanischen Pittsburgh, und ihr Team stehen seit dem Beginn der Corona-Pandemie ständig vor ernsthaften Beschaffungsproblemen. Sie sind in der Bayer-Division Pharmaceuticals für das Radiologie-Geschäft zuständig. „Viele Teile unserer Produkte sind hochspezialisiert und werden speziell für uns gefertigt. Für die meisten gibt es nur einen einzigen Lieferanten. Und der Großteil unserer Zulieferer hat sich noch nicht ganz von der Pandemie erholt, es mangelt an Fachkräften und gibt Probleme, die hohe Nachfrage zu bedienen“, erläutert sie.

 

Die Product-Supply-Organisation hat eine Vier-Säulen-Strategie ins Leben gerufen, um für die Herstellung notwendige Produktbestandteile zu beschaffen und den Bedarf an Ersatzteilen zu decken. Sie „jagen“ auf dem offenen Markt nach Teilen, vereinfachen den Onboarding-Prozess für neue Lieferanten und haben eine Initiative gestartet, um Teile aus alten Produkten, die früher entsorgt wurden, zum Bau und zur Reparatur von Radiologie-Ausrüstung zu nutzen. Reparieren, wiederverwenden, recyceln ist das Motto. Das kommt nicht nur der Liefersituation, sondern auch der Nachhaltigkeit zugute. „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir unsere Lieferzeiten einhalten oder sogar übertreffen konnten. Zunächst dachten wir, wir könnten nur 4.000 Injektoren ausliefern, planen aber jetzt, 10.000 in diesem Jahr herzustellen. Um das zu erreichen, schicken wir Teile weltweit hin und her und koordinieren uns eng mit unseren Kollegen im Außendienst, die ebenfalls über das normale Maß hinaus Einsatz zeigen, um unsere Geräte zu den Kunden zu bringen“, erzählt Mandy Mohrbach.

 

Mitarbeiter in Pittsburgh

 

Während der Rest der Welt damit beschäftigt war, sich an eine „neue Normalität“ zu gewöhnen, wurde Shanghai vor kurzem von einem neuen Lockdown heimgesucht, dem längsten und strengsten in der Geschichte der Stadt. Von Ende März bis Anfang Juni 2022 kam die ganze Stadt zum Stillstand. Am Flughafen staute sich das Frachtgut, und die Menschen saßen zu Hause fest.

 

Obwohl sich der chinesische Hauptsitz der Bayer-Division Consumer Health in Shanghai befindet, schaffte es das Logistik- und Supply-Chain-Team, die Lieferungen schnell wieder auf ein normales Maß zu bringen. Schon im April erreichte man eine Erfüllungsrate von 96 Prozent. Im Mai waren es 99 Prozent.

 

„Es war ein Kraftakt des gesamten Teams und hat nur funktioniert, weil wir in den vergangenen zwei Jahren eine widerstandsfähige Lieferkette aufgebaut hatten und intern und mit externen Partnern so gut zusammenarbeiten. Das ist etwas, was wir von der Pandemie gelernt haben“, berichtet Stephen Tang aus dem Logistik-Team von Consumer Health. „Wir haben Importe nach Peking umgeleitet, unsere Lagerbestände nach Guangzhou verlagert, kleinere Bestellungen in größeren zusammengefasst und uns so viele Sondergenehmigungen der Behörden für den Transport von Waren gesichert wie nur möglich.“

 

Shanghai

Zu Beginn der Corona-Pandemie explodierte in Süd- und Mittelamerika die Nachfrage nach Aspirin. Für Mauricio Gonzalez, Head of Supply Chain Management am Produktionsstandort von Consumer Health im mexikanischen Lerma, sind das normalerweise gute Nachrichten. Sie kamen allerdings zu einer Zeit, in der Lieferanten, Häfen, Verteilerzentren und Fabriken dank COVID von der Abwesenheit ihrer Mitarbeiter und minimalen Kapazitäten geprägt waren.

 

„Wir haben alles in unserer Macht Stehende getan, um genügend Aspirin zu produzieren und auszuliefern. Wir haben uns dazu an die Kollegen in den USA gewandt, wo die Nachfrage zu dem Zeitpunkt weniger hoch war, und sie haben uns ihre Inhaltsstoffe zur Verfügung gestellt. Langfristige Beziehungen zu unseren Lieferanten, die Schulung von Hilfskräften in Rekordzeit, um Personalausfälle abzudecken, und die Umstellung von See- auf Luftfracht gehörten zu den kreativen Lösungswegen, die uns dabei geholfen haben, die Situation zu meistern“, erinnert sich Mauricio Gonzalez. „Einmal, als uns ein Lieferant informierte, dass seine Lieferung von Aluminiumfolie an uns teilweise fehlerhaft war und wir sie einfach komplett entsorgen sollten, waren meine Kollegen ein ganzes Wochenende damit beschäftigt, das noch brauchbare Material zu identifizieren und zu separieren. Wir hatten einfach keine Zeit, auf die neue Lieferung zu warten.“

 

Standort Lerma

 

Bei Crop Science, der Agrar-Division von Bayer, hatten es die Kollegen in den Supply-Chain-Funktionen in den vergangenen drei Jahren mit vielen Herausforderungen zu tun: Corona führte fast überall zu Lockdowns, der Suezkanal war blockiert, und dann wurde der Produktionsstandort Luling in Texas im August 2021 noch vom Hurrikan Ida getroffen, was zu einem kompletten Stillstand über mehrere Wochen führte. Als das geschah, war das Geschäft in Lateinamerika bereits von Hafenüberlastungen, Arbeitskräftemangel und fehlenden Containern betroffen, was zu einem Zuverlässigkeitsindex bei der Seefracht von nur 32 Prozent führte, dem niedrigsten Wert seit zehn Jahren.

 

Angesichts der bevorstehenden Anbausaison für Mais und Sojabohnen waren Regierungen und Bauernverbände in Alarmbereitschaft. Schließlich zählen sie auf das Saatgut und die Herbizide von Bayer. „Wenn der gesamte Status quo auf dem Prüfstand steht, muss man kreativ werden“, sagt Kyu Kim, LATAM Regional Planning Head. „Wir haben eine funktionsübergreifende Ad-hoc-Taskforce eingerichtet, und drei Monate später waren 150 Container auf dem Weg nach Lateinamerika.“

 

Die Lösung war ein absolutes Novum: Das Team hatte sein eigenes Schiff gechartert. Im Rahmen einer außergewöhnlichen Initiative wurden außerdem 16 Flugzeuge gechartert und mehr als 220 kommerzielle Flüge gebucht, um 2.500 Tonnen Fungizid-Wirkstoff nach Brasilien zu transportieren. „Im Product Supply versetzen wir Berge, um unsere Produkte an die Kunden zu liefern,” betont Kyu Kim.

 

CS

 

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