Umgang mit PCB-Rechtsrisiken in den USA
Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind Chemikalien, die bis in die 1970er Jahre produziert wurden. In vielen industriellen Produkten und Baumaterialien dienten sie vor allem dazu, das Brandrisiko in elektronischen Bauteilen zu reduzieren. Monsanto hatte die Produktion von PCB 1977 freiwillig eingestellt, zwei Jahre bevor die US-Umweltbehörde EPA sie verbot. Dennoch gibt es bis heute - mehr als vier Jahrzehnte später - Rechtsstreitigkeiten zu PCB in den USA. Bayer hat eine klare Strategie, damit umzugehen.
Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Rechtsstreitigkeiten zu PCB: Auf der einen Seite Fälle, bei denen es um Umweltverschmutzung geht, auf der anderen Seite um Gesundheitsschäden und Gebäudefälle. Wir haben in allen Fällen überzeugende rechtliche Verteidigungsargumente und ziehen Vergleiche nur in Erwägung, wenn diese zu vernünftigen Bedingungen möglich sind.
In den meisten Fällen wurden die Produkte, die angeblich Ursache der Umweltverschmutzung sind, nicht von Monsanto hergestellt oder entsorgt, sondern von anderen Unternehmen. Das gilt auch für die Fälle, in denen es um Gebäude geht und Menschen PCB ausgesetzt waren.
Wichtig ist dabei, dass Monsanto weitreichende Haftungsfreistellungen mit ehemaligen Abnehmern von PCB vereinbart hatte. Darin haben diese Unternehmen zugestimmt, Monsanto von den Kosten möglicher Rechtsstreitigkeiten freizustellen, um im Gegenzug in den 1970er Jahren weiterhin PCB zu erhalten. Wie kommuniziert werden wir diese Verträge durchsetzen, um die Kosten der Rechtsstreitigkeiten erstattet zu bekommen. Dafür haben wir bei einem Gericht im St. Louis County (US-Bundesstaat Missouri) Klage eingereicht. Im Juli 2024 gab Monsanto bekannt, dass der führende Klägeranwalt Mark Lanier das Unternehmen in seinem PCB-Entschädigungsverfahren vertreten wird.
1. Fälle von angeblicher Umweltverschmutzung
Im Juni 2020 hat Bayer eine Vergleichsvereinbarung über 650 Mio. US-Dollar angekündigt, um angebliche Verschmutzungen von Gewässern von rund 2.500 Kommunen in den USA beizulegen. Das verantwortliche Gericht hat diese Vereinbarung im November 2022 genehmigt. Damit ist der größte Teil der PCB-Rechtsstreitigkeiten mit Kommunen beigelegt.
Die Klagen der Kommunen, die sich dem Vergleich nicht angeschlossen haben, sind überwiegend in neun Fällen gebündelt. Dabei handelt es sich um Fälle, die sich auf einige wenige Gewässer beziehen, die sich rechtlich und faktisch stark unterscheiden. Monsanto ist weiterhin entschlossen, die Fälle vor Gericht zu verteidigen und wird Vergleiche nur dann in Betracht ziehen, wenn dies im Interesse des Unternehmens ist. Im Juli 2024 erzielte Monsanto eine Vergleichsvereinbarung mit der Stadt Seattle.
Zudem gibt es weitere Vereinbarungen mit den US-Bundesstaaten New Hampshire, New Mexico, Ohio, Oregon, Pennsylvania, Virginia, Washington sowie Washington D.C., um ähnliche Fälle beizulegen. Weiterhin anhängig sind Klagen der US-Bundesstaaten Illinois, Maine, Maryland, New Jersey und Vermont. Hier werden wir uns entschieden verteidigen und uns nur auf Vergleiche einlassen, wenn das zu vernünftigen Konditionen möglich ist. Eine Klage des US-Bundesstaates Delaware wurde im Juli 2022 erstinstanzlich abgewiesen, allerdings hob der Supreme Court in Delaware die Abweisung am 22. Juni 2023 teilweise auf. Der US-Bundesstaat Vermont klagt auch aufgrund angeblicher PCB-Belastungen von Schulgebäuden.
Basierend auf Daten der US-Umweltbehörde EPA über die PCB-Verschmutzung von Gewässern sowie der Tatsache, dass die PCB-Belastung in der Umwelt 40 Jahre nach Produktionsstopp abnimmt, gehen wir davon aus, dass das Potenzial möglicher künftiger Klagen von US-Bundesstaaten begrenzt ist. Zwar sind weitere Verfahren möglich, es gibt aber kein landesweites Risiko in den USA.
2. Rechtsstreitigkeiten zu Gesundheitsschäden und Gebäuden
Es gibt auch Fälle, in denen es um angebliche Gesundheitsschäden durch PCB geht. Die meisten dieser Fälle beziehen sich auf eine Schule, das Sky Valley Education Center (SVEC) in der Umgebung von Seattle. Dort haben rund 200 Personen Klage eingereicht. Zudem gibt es Klagen wegen angeblicher Gesundheitsschäden im US-Bundesstaat Vermont bezüglich der Burlington High School und der Twin Valley Elementary School. Auch eine Klage, die Ansprüche auf medizinische Überwachung geltend machen will, ist dort geplant. Der Burlington School District hat ebenfalls gegen Monsanto geklagt und verlangt, dass das Unternehmen für ein neues Schulgebäude bezahlen soll, da das alte unter anderem aufgrund von PCB-Bedenken nicht mehr zu nutzen sei. Andere Schulbezirke im US-Bundesstaat Vermont haben ebenfalls Klage wegen angeblicher PCB-Belastung in bestimmten Schulen eingereicht.
Wir haben überzeugende Verteidigungsargumente in diesen Fällen: So wurden die relevanten Produkte wie die Beleuchtungskörper und Dichtungsmasse nicht von Monsanto hergestellt, sondern von anderen Unternehmen, und hätten zudem bereits vor Jahrzehnten ausgetauscht werden müssen. Es gibt zudem keine ausreichenden Beweise für die Verantwortlichkeit von Monsanto, da beispielsweise die Luftproben in dem SVEC-Schulgebäude keine PCB-Belastung in den meisten Klassenräumen und nur sehr geringe Konzentrationen unter den Grenzwerten der US-Umweltbehörde in den übrigen Räumen ergeben haben. Auch die Blutproben der Kläger zeigten keine höheren PCB-Werte als im Durchschnitt der Bevölkerung.
Wir sind zudem überzeugt, dass die Schulverwaltung selbst für die behaupteten Gesundheitsschäden und Gebäudebelastungen zur Verantwortung gezogen werden könnte. So hat die US-Umweltbehörde EPA in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 30 Informationsschreiben an die Eigentümer und Verwaltungen von Gebäuden geschickt, die vor den 1980er Jahren errichtet wurden. Dazu gehörten auch Schulverwaltungen und ihre Hausmeister. In den Schreiben ging es darum, wie mit Produkten umzugehen sei, die PCB enthalten und ausgetauscht werden müssen.
Das zuständige Gericht im US-Bundesstaat Washington hat in dieser und anderen wichtigen Rechtsfragen in mehreren Verfahren gegen Monsanto entschieden. Allerdings hat die Berufungsinstanz im ersten dieser Fälle, Erickson, zu unseren Gunsten entschieden, das Urteil vollständig aufgehoben und den Fall zurück an die Vorinstanz verwiesen. Im Oktober 2024 hat der Washington Supreme Court entschieden, den Fall Erickson für eine Prüfung anzunehmen.
Im US-Bundesstaat Massachusetts wurden im August 2023 Klagen wegen Gesundheitsschäden durch PCB eingereicht, obwohl Monsanto in der betroffenen Gegend um Pittsfield PCB weder produziert noch entsorgt hat. Das Unternehmen hatte weder Verantwortung für noch Kontrolle über die Fabrik, in der ein anderes beklagtes Unternehmen elektronische Produkte hergestellt hatte.
3. Durchsetzung der Haftungsfreistellungen
Die Klage zur Einforderung der Haftungsfreistellungen ist ein wichtiges Element der Strategie, um die finanziellen Risiken der PCB-Rechtsstreitigkeiten zu minimieren und Rechtskosten erstattet zu bekommen. Diese Vereinbarung hatte Monsanto 1972 mit damaligen Kunden getroffen, nachdem das Unternehmen angekündigt hatte, die Produktion von PCB für die Verwendung außerhalb elektrischer Geräte auslaufen zu lassen. Hintergrund waren Umweltbedenken, weil sich PCB nur schwer abbaut.
Für elektrische Geräte gab es zu dieser Zeit aber keine alternativen Sicherheitsflüssigkeiten. Deshalb hatte sich Monsanto in Übereinstimmung mit den Ergebnissen einer Untersuchung der zuständigen Behörden bereit erklärt, PCB für geschlossene elektrische Geräte weiterhin zu produzieren, bis Alternativen verfügbar seien. Voraussetzung war allerdings, dass die Hersteller Monsanto von möglichen Haftungsrisiken und Rechtskosten freistellen. Sechs Unternehmen, die ungefähr 93 Prozent der PCB-Käufe ausmachten, haben diese Vereinbarungen unterzeichnet. Da die Kosten für Verteidigung, Vergleiche und mögliche rechtskräftige Urteile steigen, hat Monsanto im August 2022 bei Gericht (St. Louis County, Missouri) Klage gegen die damaligen Kunden eingereicht, um die Vereinbarungen durchzusetzen und die Kosten erstattet zu bekommen. Das Verfahren befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium, wir sind aber überzeugt, einen erheblichen Anteil der Kosten der Rechtsstreitigkeiten erstattet zu bekommen.