Interview mit Matthias Berninger

Bayer schließt Partnerschaften, um den Regenwald zu schützen und die Biodiversität zu erhalten

An aerial view of a tropical rainforest.

Matthias Berninger, Global Head of Public Affairs, Science & Sustainability bei Bayer, spricht im Interview über die Abholzung von Wäldern und ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sowie über einige der jüngsten Initiativen von Bayer zur Einführung neuer Nachhaltigkeitsstandards.

Der Verlust der Biodiversität hat in den letzten Jahrzehnten alarmierend zugenommen. Die Zerstörung der Wälder trägt maßgeblich dazu bei. 80 Prozent der weltweiten Artenvielfalt ist in Wäldern zu Hause. Sie tragen dazu bei, den Klimawandel einzudämmen, sind entscheidend für den Wasserkreislauf und filtern die Luft, die wir atmen. Der Schutz der Regenwälder hat große Auswirkungen auf den Klimaschutz. Bayer arbeitet mit Regierungen und Unternehmen aus der Agrarfinanzierungsbranche, Umweltschutzorganisationen und Hochschulen zusammen, um umsetzbare Lösungen zur Umgestaltung der Gesundheit unseres Planeten zu entwickeln und umzusetzen.

 

Herr Berninger, die verheerenden Brände im Amazonas-Regenwald in den Jahren 2019 und 2020 waren allgegenwärtig. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Die Wissenschaft ist sich einig: Die Zerstörung von Wäldern ist eine der wichtigsten Ursachen des Klimawandels und führt zu einem enormen Verlust an biologischer Vielfalt. Im Jahr 2020 wurden im brasilianischen Amazonasgebiet über 11.000 Quadratkilometer Wald zerstört, ein 12-Jahres-Hoch.Trotz aller Bemühungen, die Entwaldung zu stoppen, gehen jedes Jahr weltweit Wälder in der Größe Kenias verloren. Das ist eine globale Herausforderung. In Asien liegt es vor allem an der wachsenden, konsumfreudigen Mittelschicht. In Afrika stellen das Bevölkerungswachstum und der Grundbedarf an Brennholz wichtige Faktoren dar. In Brasilien wird die Abholzung hauptsächlich durch den Bergbau, die Holzindustrie und die weltweit wachsende Nachfrage nach Fleisch verursacht.

 

Die Situation ist ernst. Was können Unternehmen wie Bayer tun?
Unternehmen müssen den Schutz der Wälder und Bemühungen zum Schutz der Biodiversität unterstützen. Bayer ist Teil einer Koalition von 200 Partnern entlang der Wertschöpfungskette und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wir sprechen uns klar dafür aus, die entsprechenden Gesetze zum Schutz des Regenwaldes durchzusetzen und eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft in Brasilien voranzutreiben. Die Zerstörung der Wälder ist eine globale Herausforderung. Maßnahmen in einem Land oder einer Region können Auswirkungen auf andere Länder haben. Wir haben erhebliche Anstrengungen zur Reduzierung der Entwaldung in Brasilien unternommen und wollen diese Erfolge und Erkenntnisse auch in anderen Ländern anwenden. Ein Schritt in diese Richtung ist unser kürzlich erfolgter Beitritt zur LEAF-Koalition (Lowering Emissions by Accelerating Forest finance), die in diesem Jahr mindestens eine Milliarde US-Dollar an Finanzmitteln mobilisieren will, um eine der voraussichtlich größten öffentlich-privaten Bemühungen zum Schutz der Regenwälder zu starten. Und erst diese Woche haben Bayer, IFPRI und ETH eine Forschungskooperation angekündigt. Sie wird untersuchen, wie die Landwirtschaft neue Lösungen entwickeln und umsetzen kann, um ihren Einfluss auf die biologische Vielfalt zu verringern. Wir bei Bayer sind überzeugt: Unternehmensstrategien, die von der Zerstörung des Waldes abhängen, haben keine Zukunft. Diese Botschaft hören Unternehmen nicht nur von externen Stakeholdern. Auch zahlreiche Aktionäre machen sehr deutlich, dass ihnen dieses Thema ein Anliegen ist.

 

Könnten Sie den Beitrag von Bayer noch weiter ausführen? 
Bayer ist ausreichend groß und international aufgestellt, um hier einen spürbaren Beitrag zu leisten. Deshalb ist der Schutz von Wäldern auch eines der Kernelemente unseres Klimaaktionsplans. Wir arbeiten bereits mit Vertretern der Zivilgesellschaft und anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen zusammen, um Lösungen für den nachhaltigen Schutz der Biodiversität und der Wälder zu finden. Wir nehmen unsere Rolle als führendes Unternehmen ernst und suchen verstärkt den Dialog mit allen relevanten Stakeholdern, wie zum Beispiel Herstellern, Landwirten und Lieferanten. So wollen dabei helfen, dass die ganze Wertschöpfungskette gemeinsam und koordiniert aktiv werden kann. Wir wissen, dass wir dieses Problem nicht allein lösen können. Deshalb sind diese Kooperationen mit relevanten lokalen und regionalen Organisationen, die unsere Technologien mit ihrem Wissen und ihren Netzwerken ergänzen, von entscheidender Bedeutung.

 

Das hört sich erst einmal toll an, ist aber wenig greifbar. Wie wird das alles Realität? 
Es fängt damit an, Landwirte zu unterstützen, die nachhaltig, legal und verantwortungsbewusst arbeiten – und keinerlei Toleranz für diejenigen zu haben, die Ackerland bewirtschaften, das durch illegale Abholzung entstanden ist. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und unsere Saatgutproduktion durch unabhängige dritte Parteien zertifizieren lassen. Wir haben kürzlich zertifizieren lassen, dass bei der Herstellung unserer Sojabohnensamen in Brasilien keine Wälder illegal abgeholzt werden und werden als nächstes daran arbeiten, unsere Maissamenproduktion zu zertifizieren. Wir prüfen kontinuierlich die Einhaltung und versuchen, diese Arbeit auf andere Kulturen und andere Regionen auszudehnen. Unser Verhaltenskodex für Lieferanten ist ein weiterer Baustein, z.B. um die Anbieter zu prüfen, von denen wir Verpackungen oder Rohstoffe beziehen.

 

Glauben Sie wirklich, dass Bayer hier etwas bewegen kann? Was wird konkret unternommen?  
Ja, absolut. Bayer leistet einen Beitrag in verschiedenen Bereichen: in unserem eigenen Betrieb, bei der Ausstattung unserer Kunden und beim weiteren Aufbau von Partnerschaften und Kooperationen. Als Teil unserer Klimastrategie werden wir die globale Kompensation von CO2-Emissionen unterstützen.  Bayer hat kürzlich eine neue Kohlendioxidinitiative ins Leben gerufen, mit der Landwirte für die Bindung von Kohlendioxid im Boden belohnt werden sollen. Für die Teilnahme an diesem Programm verlangt Bayer die vollständige Einhaltung des brasilianischen Waldgesetzes (Forest Code). Wir haben auch den Orbia-Marktplatz ins Leben gerufen, um Landwirten zu helfen, die Unterstützung bei der Einhaltung des Waldgesetzes benötigen. Durch digitale Anbautechnologien sucht Bayer nach Möglichkeiten, Landwirte beim Schutz bestehender Wälder und natürlicher Lebensräume auf ihrem Land zu unterstützen und Anreize zu schaffen. Digitale Technologien helfen, besser einzuschätzen, welche Vorteile es bringt, Lebensräume und Wälder zu schützen anstatt wenig produktives Land zu bewirtschaften. Aber unser größter Beitrag liegt zweifellos in der Innovation. Solange die Nachfrage nach Soja die Abholzung vorantreibt, müssen wir Innovationen vorantreiben, die die Erträge steigern. Je erfolgreicher wir bei der nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft sind, desto geringer wird der Druck, zusätzliches Land für die Landwirtschaft nutzbar zu machen.

 

Was sagen Sie zu den Skeptikern, die Regierungen und Großunternehmen beschuldigen, Greenwashing zu betreiben und Netto-Null-Ziele zu verwenden, um echte Veränderungen aufzuschieben?
Wir erkennen an, dass die Landwirtschaft, genau wie viele andere Aktivitäten, einen Einfluss auf die biologische Vielfalt hat. Um den sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen einer Bevölkerung gerecht zu werden, deren Zahl und Wohlstand wächst, müssen wir die landwirtschaftlichen Produktionssysteme weiter optimieren. Wir leisten bereits konkrete Beiträge in die richtige Richtung und haben ein echtes Interesse daran, das Problem zu lösen. Die biologische Vielfalt ist für die Gesundheit des Planeten und für unser Geschäft von zentraler Bedeutung, da sie die Grundlage für Landwirte ist, die ihre Farmen nachhaltig bewirtschaften müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Haben Sie abschließende Gedanken, die Sie teilen möchten?
Der Verlust der biologischen Vielfalt ist ein komplexes Problem - es gibt keine einzelne Ursache und daher keine einzelne Lösung. Biodiversität ist jedoch für unsere Vision von #Healthforall #Hungerfornone von entscheidender Bedeutung.  Wir haben ein begründetes Interesse daran,  sie zu schützen. Wir wissen, dass Klimawandel und Landnutzung die Hauptfaktoren für den Verlust der biologischen Vielfalt sind, und dies sind zwei Dinge, bei denen die Landwirtschaft eine wichtige Rolle für echte Fortschritte spielen kann.
 

Ein Mann mit Brille und Bart lächelt vor einem Feld.
Matthias Berninger
Global Head of Public Affairs & Sustainability at Bayer
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