Wie Hühnereier helfen können, die Pandemie zu beenden
Im Kampf gegen COVID-19 sind Impfstoffe das Mittel erster Wahl. Auch wenn in kürzester Zeit weltweit Vakzine entwickelt wurden, ist der Zugang zu einem COVID-19-Impfstoff nach wie vor sehr ungleich verteilt, und viele Bevölkerungsgruppen bleiben aufgrund ihrer geografischen Lage oder ihrer finanziellen Mittel unberücksichtigt.
Um die Verteilungslücke zu verkleinern, treibt ein internationales Konsortium die Entwicklung eines innovativen, erschwinglichen und stabilen COVID-19-Impfstoffs voran, der für Länder mit niedrigem und mittlerem finanziellen Einkommen nachhaltig zugänglich ist und hergestellt werden kann. Interessanterweise wird er wie die bereits weit verbreiteten Grippeimpfstoffe aus Hühnereiern hergestellt. Das Konsortium umfasst Impfstoffhersteller aus Schwellenländern wie Vietnam, Thailand und Brasilien, anerkannte Forscher in den USA an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai und der University of Texas at Austin (UT Austin) und PATH, eine globale gemeinnützige Organisation, die sich zur Verbesserung der sozial bedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen (Health Equity) verpflichtet hat.
PATH unterstützt das Konsortium als Vermittler, Verbindungsglied und technischer Berater der Pharmafirmen. Im Rahmen der gemeinnützigen Aktivitäten von Bayer fördern wir finanziell die technische Beratungsfunktion von PATH in Vietnam. Um mehr darüber zu erfahren, was dieses Projekt so besonders macht und wie es dazu beitragen kann, dass der COVID-19-Impfstoff mehr Menschen erreicht, sprachen wir mit Dr. Nguyen Tuyet Nga, Country Director von PATH Vietnam.
Dr. Nga, warum hat das Konsortium dieses Projekt initiiert?
Die meisten Länder haben inzwischen zumindest einige Dosen des COVID-19-Impfstoffs eingeführt, aber viele haben immer noch keinen Zugang zu ausreichenden Dosen, um ihre Bevölkerung jetzt oder nach der Pandemie vollständig zu impfen. Ein Vakzin, das wie die Grippeimpfstoffe, die wir jedes Jahr bekommen, in Hühnereiern in Massenproduktion hergestellt werden kann, könnte ein wichtiger Teil der Lösung sein.
Erstens werden jedes Jahr weltweit mehr als eine Milliarde sicherer und wirksamer Grippeimpfstoffdosen auf Eierbasis hergestellt. Diese Kapazität könnte auch für die Herstellung von COVID-19-Impfstoffen genutzt werden. Zweitens können sie erschwinglich hergestellt und praktisch über die üblichen Kühlketten geliefert werden. Drittens verfügen viele Pharmafirmen, die Impfstoffe herstellen, bereits über die Anlagen und Kapazitäten zur Herstellung dieser Art von Vakzinen, auch in Teilen der Welt mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Unser vietnamesischer Partner bei diesem Projekt, das Institute of Vaccines and Medical Biologicals (IVAC), ist einer von ihnen.
Dies könnte sich positiv auf die aktuelle Pandemie und die Verabreichung von Routineimpfungen auswirken, die zur Bekämpfung künftiger Ausbrüche erforderlich sind. Es könnte auch die regionalen Versorgungskapazitäten verbessern.
Das Konsortium hat dieses Projekt gestartet, weil wir glauben, dass ein Erfolg möglich ist, und weil die beteiligten Institutionen über die nötige Erfahrung und das Fachwissen zur Umsetzung verfügen. Darüber hinaus hat sich jeder von uns der Zusammenarbeit, dem Informationsaustausch und dem Gemeinwohl verschrieben – ein Geist, der die beispiellose Zusammenarbeit widerspiegelt, die in der ganzen Welt als Reaktion auf die COVID-19-Krise zu beobachten war.
Können Sie die Wirkungsweise der Impfstoffe beschreiben?
Viele Impfstoffe wirken, indem ein Virus oder ein Teil davon mit dem Immunsystem in Kontakt kommt, um eine Abwehrreaktion auszulösen. Sobald das Immunsystem dem Virus ausgesetzt ist, kann es lernen, Antikörper zu produzieren, die das Virus angreifen.
Bei dem Virus, das COVID-19 verursacht, lässt sich eine schützende Reaktion des Immunsystems am besten hervorrufen, indem das so genannte Spike-Protein gezielt angegriffen wird. Dieses Protein sitzt wie eine Krone auf der Oberfläche des Virus und setzt sich an den Zellen fest, so dass das Virus in die Zellen eindringen, sie infizieren und dort Schäden verursachen kann.
Die Verimpfung von natürlich vorkommenden Spike-Proteinen des Coronavirus ist jedoch nicht der beste Weg, um Menschen zu schützen. Das liegt daran, dass Spike-Proteine instabil sein können und manchmal die falsche Form annehmen, was dazu führen kann, dass das Immunsystem die falschen Antikörper bildet. Der Impfstoff, an dem wir arbeiten, ist darauf ausgelegt, diese Probleme zu lösen.
Wie sieht der Ansatz dieses Impfstoffs aus und wie wird er hergestellt?
Zur Herstellung dieses Impfstoffs wird das Spike-Protein so verändert, dass es stabiler ist und seine Form beibehält, so dass es eine COVID-19-Infektion erkennen und die richtigen Antikörper zur Bekämpfung der Krankheit bilden kann. Aufgrund der guten Erfolgsbilanz mit Impfstoffen für Geflügel entschieden sich PATH und die Icahn School of Medicine für die Verwendung des inaktivierten ND-Virus (Newcastle Disease Virus) der Newcastle-Krankheit als Baustein für diesen Impfstoff und veränderten es so, dass es auf seiner Oberfläche ein stabilisiertes Spike-Protein namens HexaPro aufweist.
Die Icahn School of Medicine entwickelte die NDV-Technologie und stellte den Herstellern, einschließlich IVAC, das Ausgangsmaterial (oder die Mutterkulturen, engl. Master Seeds) zur Verfügung, um die Produktion zu ermöglichen. HexaPro wurde an der UT Austin entwickelt. Eine frühere HexaPro-Version ist die Grundlage für mehrere andere COVID-19-Impfstoffe, die weltweit eingesetzt werden. Im Rahmen von Lizenzvereinbarungen, die PATH mit Icahn Mount Sinai und der UT Austin abgeschlossen hat, hilft PATH, IVAC und anderen Pharmafirmen in Schwellenländern Zugang zu diesen Impfstofftechnologien zu ermöglichen.
Warum sind Eier für die Herstellung von COVID-19-Impfstoffen geeignet?
Diese Methode hat ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil (auch bei Kindern, Schwangeren und älteren Erwachsenen), ist an die sich regelmäßig verändernden Viren anpassbar und hat sich in der Vergangenheit als wirksam gegen schwere Krankheiten erwiesen. Bei Grippeimpfstoffen sehen wir dies schon seit Jahrzehnten.
Die Temperaturstabilität ist ein weiterer Vorteil, der die Lieferung und Verteilung in ressourcenarmen Gebieten erleichtert. Im Gegensatz zu mRNA-Vakzinen, die eine stark herabgekühlte Lieferkette benötigen, ist dieser Impfstoffkandidat über Monate bei 2 bis 8 °C stabil, was der normalen Temperatur des regulären Haushaltskühlschranks entspricht.
Vor allem aber stellen viele Pharmafirmen bereits Impfstoffe auf Eierbasis her, auch in Teilen der Welt mit niedrigen und mittleren finanziellen Ressourcen. Diese Produktionsanlagen werden die Hälfte des Jahres nicht genutzt, wenn keine saisonalen Grippeimpfstoffe produziert werden, und könnten in der Nebensaison (oder bei Bedarf auch öfter) für die Herstellung großer Mengen COVID-19-Impfstoff genutzt werden. Die aggregierten Kapazitäten von Vietnam, Thailand und Brasilien sind in der Lage, hunderte Millionen Dosen pro Jahr zu liefern.
Können Sie uns mehr über die laufende Arbeit in dem Land und die Nutzungsperspektiven erzählen?
Der Schlüssel zum Potenzial dieses Projekts für eine dauerhafte Wirkung liegt darin, dass die Vakzinentwicklungsprogramme länderspezifisch sind.
Erste klinische Prüfungen des Vakzins zeigen positive Sicherheit und Immunantwort. Hier in Vietnam hat IVAC die klinischen Studien mit Unterstützung der Regierung gesponsert. Die Pharmafirmen in Thailand und Brasilien führen ebenfalls klinische Entwicklungsprogramme in ihren jeweiligen Ländern durch. Ganz allgemein geht es darum, die erforderlichen Daten zu sammeln, um eine Notfallzulassung im Land und schließlich eine Präqualifizierung der Weltgesundheitsorganisation zu erhalten, die einen breiteren Einsatz ermöglicht.
Sind Sie nicht zu spät ins Rennen eingestiegen? Können denn die vorhandenen COVID-19-Impfstoffe den laufenden Bedarf nicht decken?
Leider ist es unwahrscheinlich, dass COVID-19 in absehbarer Zeit wieder verschwindet. Die Länder werden fortlaufende Impfstofflieferungen benötigen, auch für Auffrischungsimpfungen, die notwendig sein könnten, um einen dauerhaften Schutz der vulnerabelsten Personen zu gewährleisten. Da dieser Impfstoff gut geeignet sein könnte, die entstehende Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen zu decken, bereitet sich IVAC darauf vor, diese Nutzung in seinem bevorstehenden klinischen Prüfprogramm zu untersuchen.
Generell spielen die auf Eierbasis produzierten Vakzine eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Programmen zur dauerhaften Immunisierung gegen COVID-19, insbesondere da die meisten Länder nicht über die Kapazitäten verfügen, andere teurere und technisch komplexere COVID-19-Impfstoffe wie mRNA-Impfstoffe herzustellen oder zu liefern.
Was ist sonst noch erforderlich, um dieses Projekt zum Erfolg zu führen?
Zusammenarbeit ist der Schlüssel, um die Ziellinie zu erreichen. Müssen das Gesundheitsministerium und die nationale Aufsichtsbehörde in Vietnam klare und zeitnahe Richtlinien zum Zulassungsverfahren für den Impfstoff geben, und auch diese Gespräche laufen bereits. Dies ist nur eines von vielen Faktoren, die erforderlich sind und die ohne staatliche Unterstützung und privates Sponsoring nicht zustande kommen würden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bayer gegen COVID-19
Dies ist ein Beispiel von vielen, wie Bayer weltweit mit Spenden, Produkten und Expertise im Kampf gegen das Coronavirus hilft. In unseren Blogbeiträgen „Stronger Together against COVID-19“ und hier in unserem Corona-Hub erfahren Sie mehr über unser Engagement gegen die COVID-19-Pandemie.