Bessere Gesundheit

Wenn normal nicht normal ist – reden wir über Frauengesundheit

A woman laying in bed with a hot water bottle.

Häufig sind es Frauen, die sich um andere Menschen kümmern und diese unterstützen – ob in der Familie oder bei der Arbeit. Doch wie steht es um ihre eigene Gesundheit? Im Leben einer Frau können viele gesundheitliche Probleme auftreten: menstruationsbedingte Beschwerden, Vaginalinfektionen, chronische Erkrankungen wie Endometriose oder onkologische Erkrankungen wie Brustkrebs. Obwohl viele Informationen zur Verfügung stehen, sind viele Themen und Fragen im Bereich der Frauengesundheit immer noch ein Tabu und die eigene Unsicherheit ist nach wie vor groß. Dies kann dazu führen, dass schwerwiegende Probleme als „normal“ oder „einfach Teil des Frauseins“ abgetan werden. 


Wir sprachen mit Cecilia Caetano, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Leiterin des Bereichs Menopause Management bei Bayer, über die Bedeutung von Aufklärung und weshalb Frauen proaktiv und häufiger über ihre Symptome sprechen und achtsam mit ihrer Gesundheit umgehen sollten.

Weshalb gibt es immer noch so viele Tabus und Mythen rund um das Thema Frauengesundheit? 

Meiner Erfahrung nach gibt es dafür mehrere Gründe. Viele dieser Themen sind Frauen unangenehm und zum Teil beschämend für diejenigen, die sie ansprechen. Im Allgemeinen werden Probleme unterhalb der Gürtellinie häufig nicht angesprochen. Selbst in modernen Gesellschaften gibt es immer noch eine „Kultur des Schweigens“, wenn es um solche Themen geht.

 
Und wenn über etwas nicht gesprochen wird, führt das häufig zu mangelndem Wissen über Beschwerden und Erkrankungen sowie zur Entstehung von Mythen, die teilweise über mehrere Generationen weitergegeben werden. Das bedeutet wiederum, dass Frauen häufig keine Unterstützung und Hilfe suchen, weil sie glauben, dass frauenspezifische Gesundheitsprobleme „normal“ sind. Viele Frauen sprechen daher nicht darüber und so kommt es letztendlich dazu, dass sie mit belastenden Beschwerden wie starken Menstruationsblutungen, Beschwerden während der Wechseljahre oder Endometriose zurechtkommen müssen.

 

Selbst wenn Frauen darunter leiden und eine starke Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität spüren, nehmen viele von ihnen es einfach hin, ohne nach Lösungen zu suchen, denn häufig hatte bereits ihre Mutter oder Großmutter ähnliche Probleme, und „das war einfach schon immer so“. Diese Frauen werden sich nie bewusst, dass sie gesundheitliche Beschwerden haben, die besprochen und behandelt werden könnten und auch sollten.

 

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Wie können wir dieses Problem überwinden?

Ein wichtiges Element hierbei ist die Aufklärung: Ich bin der festen Überzeugung, dass mit Aufklärung auch Bestärkung einhergeht. Wir müssen Frauen – und auch Männer – aufklären, immer dann, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Dies sollte bereits in der Schule bei jungen Mädchen beginnen, aber auch erwachsenen Frauen fehlt es häufig an Wissen über Themen wie starke Menstruationsblutungen oder die Wechseljahre. Je mehr Mädchen und Frauen über ihren Körper und ihre Gesundheit wissen, desto besser können sie einschätzen, wenn etwas nicht normal ist – auch wenn andere Mädchen oder Frauen etwas anderes behaupten.

 
Ich möchte jede Frau ermutigen, ins Gespräch zu gehen. Sprechen Sie mit Ihrer Familie und Ihren Freunden und Sie werden feststellen, dass Sie nicht die Einzige sind, die mit diesen Problemen zu kämpfen hat. Überwinden Sie Ihre Scham und sprechen Sie mit Ihrem Frauenarzt oder Ihrer Frauenärztin. Er oder sie kennt all diese Probleme und ist es gewohnt, darüber zu sprechen. Ihnen muss also nichts unangenehm sein. Eine andere Möglichkeit ist, die vielen Foren und Diskussionsgruppen im Internet zu nutzen, wo Sie sich mit Expertinnen und Experten und anderen Betroffenen austauschen können. Sie werden sehen, dass Sie mit diesen Problemen nicht allein dastehen. Seien Sie dabei jedoch vorsichtig und achten Sie darauf, dass Sie nur Informationen aus zuverlässigen, wissenschaftlich fundierten Quellen verfolgen. Es gibt bedauerlicherweise viele unzuverlässige Informationsquellen, die Mythen und Fehlinformationen verbreiten. Bitten Sie im Zweifelsfall Ihren Arzt um Informationen und Ratschläge.

 

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Sie erwähnten starke Menstruationsblutungen. Was ist damit genau gemeint und weshalb werden sie so häufig nicht erkannt?

Starke Menstruationsblutungen, auch bekannt unter der Bezeichnung „Menorrhagie“, sind Beschwerden, bei denen übermäßig starke Menstruationsblutungen die Lebensqualität der betroffenen Frauen beeinträchtigen. Im Durchschnitt ist eine von drei Frauen irgendwann in ihrem Leben von starken Menstruationsblutungen betroffen. Das Problem ist, dass viele Frauen gar nicht bemerken, dass sie übermäßig starke Blutungen haben: Beinahe 60 Prozent der betroffenen Frauen glauben, dass ihre Beschwerden ein normaler Teil der Periode sind, und manche Frauen empfinden dies sogar als „reinigend“ und „gesund“.


Hinzu kommt, dass die Hygieneindustrie neben Standardprodukten auch viele Produkte anbietet, die für starke Menstruationsblutungen ausgelegt sind. So können Frauen mit starken Menstruationsblutungen daraus schließen, dass ihre Menstruation normal ist. Daher neigen Frauen dazu, mit diesen Beschwerden zurechtzukommen, anstatt eine Behandlung zu suchen, die ihnen Linderung verschafft. Für die meisten Frauen gibt es keine identifizierbare Krankheit, die starke Menstruationsblutungen verursacht. Allerdings können diese Beschwerden auch ein Anzeichen für Krankheiten wie Uterusmyome oder Blutungsstörungen sein.

 

Wie können Frauen unterscheiden, was normal und was nicht normal ist? Wann sollten sie Hilfe suchen?

Frauen können nur schwer einschätzen, ob sie eine starke Periode haben, da die Menstruation von Frau zu Frau unterschiedlich ist und auch die mengenmäßige Bestimmung von Blutungen schwierig ist. Es gibt Anzeichen, die auf starke Menstruationsblutungen hindeuten, z. B. müssen Menstruationsprodukte stündlich gewechselt werden oder Frauen müssen sogar nachts aufstehen, um ihren Menstruationsschutz zu wechseln. Weitere typische Symptome, die häufig mit starken Menstruationsblutungen einhergehen, sind Anämiesymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kurzatmigkeit. Die Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Patientin sind äußerst erheblich. Wenn eine Frau ihr Leben um ihre Periode herum organisieren muss, bedeutet das, dass etwas nicht stimmt. Sie sollte daher mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin über Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation sprechen.


Und da es häufig einfacher ist, ein Gespräch zu beginnen, wenn man eine Zahl als Referenz hat, hat Bayer die App „FlowCyclo“ entwickelt. Sie hilft Frauen dabei, ihre Menstruationsblutung mengenmäßig zu bestimmen und informiert sie darüber, ob ihre Blutung in Bezug auf das Volumen normal ist oder ob es Abweichungen gibt, die mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprochen werden sollten. Tatsächlich bietet der Bereich Digital Health enorme Möglichkeiten im Bereich der Frauengesundheit: von der Aufklärung über die Identifizierung von Symptomen bis hin zum Krankheitsmanagement. 

 

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Welche weiteren Beschwerden werden Ihrer Erfahrung nach ebenfalls häufig ignoriert und wann sollten Frauen besser mit ihrem Arzt sprechen? 

Genau wie starke Menstruationsblutungen werden auch starke Menstruationsschmerzen oder Dysmenorrhö häufig als normaler Bestandteil der Periode angesehen. Sie können sich jedoch erheblich auf die Lebensqualität von Mädchen und Frauen auswirken. Und mehr noch: Sie sind bei jungen Mädchen eine der Hauptursachen für das Fernbleiben von der Schule.

 
Menstruationsbeschwerden sind im Normalfall harmlos, können jedoch auch auf Krankheiten wie Endometriose hindeuten. Diese Krankheit wird durch die Ansiedlung von Gebärmutterschleimhaut-ähnlichem Gewebe außerhalb der Gebärmutter verursacht und bleibt in vielen Fällen lange Zeit unerkannt.

 
Genau hier sehen wir eine positive Entwicklung, die mich sehr freut: Immer mehr Frauen – darunter auch einige bekanntere Frauen –, die an Endometriose leiden, beginnen nun, offener darüber zu sprechen und ihre Erfahrungen unter anderem in sozialen Medien zu teilen, um auf die Krankheit und die Auswirkungen, die sie auf das Leben der Patientinnen hat, aufmerksam zu machen. Das entstehende Bewusstsein ist fundamental für die Verbesserung der Diagnose sowie der medizinischen Versorgung. Dieses Beispiel sollte als Inspiration für andere Bereiche der Frauengesundheit dienen.


Eine weitere Beschwerde, die viele Frauen zwar kennen, über die sie jedoch nicht sprechen, betrifft Vaginalinfektionen. Sie schämen sich oder fühlen sich schuldig, weil sie glauben, dass dies etwas mit mangelnder Hygiene zu tun hat. Das ist allerdings nicht der Fall. Tatsächlich gehören Vaginalinfektionen, wie z. B. Vaginalpilzinfektionen oder bakterielle Vaginose, zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Obwohl Frauen, die von einer vaginalen Infektion betroffen sind, in vielen Fällen davon wissen, zögern sie, Hilfe zu suchen. Stattdessen nutzen sie dann Hausmittel, um mit den Symptomen zurechtzukommen. Um Tabus zu brechen und über Vaginalgesundheit aufzuklären, hat die Bayer-Marke Canesten in Brasilien auf TikTok die Vagina Academy gestartet, die erste „schamfreie Schule für Intimgesundheit“. In Italien wurde dies inzwischen auf Instagram eingeführt und weitere Länder wie das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Australien werden folgen. Durch die Nutzung beliebter Social-Media-Plattformen, um wertvolle Gesundheitslektionen zu teilen, erhoffen wir uns, jungen Mädchen und Frauen dabei zu helfen, Mythen rund um die Intimgesundheit aufzulösen und ihnen Wissen darüber zu vermitteln, wie ihr Körper funktioniert. Zudem wollen wir ihnen dadurch das nötige Selbstvertrauen geben, sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern.


 

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Gibt es einen Ratschlag, den Sie Frauen geben möchten?

Ja. Es gibt zwei wichtige Aspekte, die mir sehr am Herzen liegen. Erstens: Keine Beschwerde und keine Krankheit sollten dazu führen, dass man sich schämt und an Selbstvertrauen verliert. Belastende Beschwerden wie starke Menstruationsblutungen, Menstruationsschmerzen oder Vaginalinfektionen sind nicht Teil des Frauseins. Sie sind echte Probleme, die behandelt werden können – und auch sollten. Ich kann nur Folgendes betonen: „Normal“ hört da auf, wo alltägliche Ereignisse wie die Periode oder die Wechseljahre die Lebensqualität beeinträchtigen. Glauben Sie daher nicht an Mythen, sondern bilden Sie sich weiter und bauen Sie eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin auf.

 
Zweitens: Gehen Sie ins Gespräch! Tauschen Sie sich mit anderen Frauen über diese Themen aus. Sie werden sehen, dass Sie mit Ihren Problemen nicht allein sind. Zudem werden Sie andere Frauen ermutigen, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen und die Unterstützung zu bekommen, die Sie benötigen.

 
Schließlich liegt es an uns Frauen, das Schweigen zu brechen und eine Kultur der Offenheit zu schaffen. Hier geht es um unsere Gesundheit!

Wir unterstützen Frauen in verschiedenen Lebensphasen

Im Laufe ihres Lebens haben Frauen viele unterschiedliche Bedürfnisse rund um die eigene Gesundheit. Sie haben Fragen zu ihrem Menstruationszyklus, der Schwangerschaft und Schwangerschaftsverhütung oder den Wechseljahren. Doch auch Sorgen um gesundheitliche Beschwerden wie starke Regelblutungen und Infektionen oder Erkrankungen wie Brustkrebs, Endometriose und Gebärmuttermyome (Uterusmyome) beschäftigen sie.


Bayer ist ein anerkanntes führendes Unternehmen auf dem Gebiet der Frauengesundheit. Wir verfolgen bereits seit Langem und getreu unserer Mission „Science for a Better Life“ das Ziel, dase Leben von Menschen durch die Erweiterung unseres Portfolios mit innovativen Behandlungen und Lösungen zu verbessern. Zudem haben wir Programme entwickelt, die Frauen nicht nur bei ihren individuellen Gesundheitsbedürfnissen unterstützen, sondern auch über viele Phasen ihres Lebens begleiten. 
 

References

Dunselman et al., 2014; Parasar et al., 2017; Eisenberg et al., 2018; Nnoaham et al., 2011; Hurskainen R, et al. Acta Obstet Gynecol Scand 2007;86(6):749–57; Singh S, et al. SOGC Clinical Practice Guideline. J Obstet Gynaecol Can 2013;35 (5 eSuppl):S1-S28; https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/breast-cancer

Eine Frau in einem weißen Top lächelt vor einer grünen Wand.
Dr. Cecilia Caetano
10 Min. Lesedauer