Beides muss stimmen: Geschäftsmodell und Mindset als Basis für eine robuste Herbizid-Pipeline

Start-up-Mentalität trifft auf Konzern, der seit über 160 Jahren für Innovation steht: Bayer und das deutsche Biotech-Start-up Targenomix, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie (MPIMP) haben bereits ein gemeinsames Jahrzehnt hinter sich. Seit 2014 arbeiten die Unternehmen erfolgreich zusammen. So hat die Kooperation unter anderem die Entdeckung und Entwicklung des branchenweit ersten neuen Nachauflaufherbizids für die Unkrautbekämpfung im Ackerbau seit 30 Jahren hervorgebracht. Mit der Übernahme wurde die Partnerschaft auf die nächste Stufe gehoben. Im Fokus steht die Bereitstellung neuartiger Ansätze der Systembiologie für innovative Pflanzenschutzmittel. Hier berichten die beiden Geschäftsführer Sebastian Klie und Tilman Burgert über den Fortschritt im letzten Jahr und blicken in die Zukunft.
Bevor wir genauer in die Geschichte von Targenomix einsteigen, beschreiben Sie das Erfolgsrezept dieser Partnerschaft, die einen wichtigen Grundpfeiler der neuen Systembiologieplattform in der Pflanzenschutzforschung von Bayer bildet.
Klie: Wir glauben, dass ein systembiologischer Ansatz die Forschung, vor allem in der frühen Entwicklungspipeline von Bayer, in verschiedenen Bereichen beschleunigen kann – beim Entdecken neuartiger Wirkmechanismen, beim Bewerten neuartiger Zielmoleküle, bei der Suche und dem Optimieren von Wirkstoffen und beim schnellen Aussortieren potenziell toxischer Moleküle.
Burgert: Vor allem wird uns dieser Ansatz dabei helfen, unserer Verpflichtung nachzukommen, nämlich der Entwicklung sicherer und wirksamer Moleküle. Das ist für uns immer der Maßstab; aber genau bei diesem Prozess das Tempo zu steigern, wird immer wichtiger. Das Fachwissen von Targenomix hilft uns genau dabei, die Entdeckung und Entwicklung vielversprechender Moleküle zu beschleunigen. Landwirte benötigen solche Lösungen, um sich besser auf dynamische Herausforderungen wie den Klimawandel und zunehmende Resistenzen von Unkräutern sowie Schädlingen (zum Beispiel Pilzkrankheiten und Insekten) einzustellen.
Was ist rückblickend für Sie die größte Überraschung, und was ist seit dem gemeinsamen Start im Jahr 2022 die größte Herausforderung gewesen?
Burgert: Während es 2023 darum ging, eine enge Beziehung zu den Bayer-Teams aufzubauen und zu stärken, war 2024 das Jahr, in dem vor allem die Strategie von Targenomix dem Praxistest unterzogen wurde. Wir haben beispielsweise schnell erkannt, dass wir einen größeren Beitrag zur Pipeline von Bayer und zur CropKey-Vision leisten können. Dazu müssen wir mehr machen, aber nicht mehr vom Gleichen. Heißt konkret: Wir haben beschlossen, in Bereiche zu expandieren, in denen wir weniger Erfahrung haben. Wir sehen bereits die ersten Erfolge dieses neuartigen Systems – dabei agiert Targenomix auf Augenhöhe mit unseren Kollegen bei Bayer in einem flexiblen Betriebsmodell und einer agilen Kultur, durch die es nun möglich ist, dynamisch und direkt die Herbizid-Pipeline zu unterstützen.
Klie: Da sich unsere Prioritäten schnell herauskristallisiert haben, haben wir im Laufe des Jahres viel experimentiert, vor allem in diesen neuen Bereichen. Es war ein kontinuierlicher Optimierungsprozess, bei dem wir abwechselnd geforscht, die Ergebnisse ausgewertet, die Arbeitsabläufe überdacht und – ganz wichtig – geändert haben, und dann ging das Ganze von vorn los. Die Wiederholungstaste zu drücken, aber nicht einfach den Prozess in gleicher Weise abzuspulen, sondern ständig anzupassen, ist eine echte Herausforderung - sowohl für jeden Einzelnen als auch für uns als Team. Aber wir haben so viel dabei gelernt, und das hat uns motiviert. Es war beeindruckend zu sehen, wie das Team durch diese schnelllebigen Zeiten navigiert hat.
Burgert: Wir haben beispielsweise festgestellt, dass wir im Bereich der Datenwissenschaften weniger schnell als geplant vorankamen. Daraufhin haben wir Datenexperten eingestellt, die das Know-how unserer erfahrenen Spezialisten ergänzt haben. So konnten wir unser Fachwissen im Bereich der Datenverwertung und -vorhersage stärken. Darüber hinaus sind wir Kooperationen mit Dienstleistern eingegangen, die unsere Kompetenzen in strategisch wichtigen Bereichen ergänzen.
Das Jahr 2024 im Rückspiegel betrachtet: Was macht Sie besonders stolz?
Burgert: Ich bin wirklich begeistert, dass wir einen Weg gefunden haben, einen viel direkteren Beitrag zum Pflanzenschutz zu leisten. Wir haben uns so aufgestellt, dass wir uns innerhalb von 18 Monaten zu einem vollwertigen Unternehmen der frühen Forschung entwickelt haben.
Klie: Ich bin stolz darauf, dass wir 2024 nach einer ersten Explorationsphase den Punkt erreicht haben, an dem wir uns konsolidieren und fokussieren können. Wir nutzen unsere Erkenntnisse, um Arbeitsabläufe mit Blick auf operative Effizienz zu optimieren, indem wir Omics-Daten und Computermodelle einsetzen. Unsere Entscheidungen treffen wir so, dass wir maximalen Output erreichen, heißt: Wir steuern diesen Prozess und überlassen es nicht dem Zufall. Dies wird weiter der Schlüssel sein, um unsere Ansätze in der Systembiologie und den abgesteckten Rahmen bis 2025 voll auszuschöpfen.
Wie hat sich die Partnerschaft mit Bayer entwickelt?
Klie: Es war wichtig, den Datenaustausch zwischen Targenomix und Bayer zu gewährleisten. Das IT- und Data-Science-Team von Targenomix hat in Zusammenarbeit mit den Experten von Bayer hervorragende Arbeit geleistet, um unser System mit dem Bayer-Netzwerk zu verknüpfen. Dadurch können wir Daten schnell kanalisieren, Datenintegrität gewährleisten und damit die Zusammenarbeit verbessern.
Burgert: Das Rückgrat für unsere Arbeit ist das eine, und extrem wichtig für unseren Erfolg, aber wir haben auch zwei neue, chemisch validierte Targets für die Unkrautbekämpfung vorgeschlagen. Beide wurden von einem funktionsübergreifenden Team für die Hit-Identifizierung priorisiert. Wir sind sehr stolz darauf, dass die Kollegen von Bayer jetzt aktiv daran arbeiten.
Klie: Wir haben ein gemeinsames Projekt abgeschlossen, das es uns ermöglicht, frühzeitig vorherzusagen, welche Chemikalien in zellbasierten Systemen potenziell toxisch sind. Dies ist ein wichtiger Schritt, um Tierversuche zu reduzieren und letztendlich zu ersetzen. Daran arbeitet Bayer sowieso, aber jeder Schritt in diese Richtung ist ein richtiger.
Was wird sich in den kommenden Jahren ändern?
Klie: Was wir derzeit beobachten, ist die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz, generative KI, und grundlegender großer Sprachmodelle in den Bereichen Genomik und Proteine. Wir sind überzeugt, dass die Anwendung dieser Entwicklungen und die Nutzung öffentlicher sowie interner Daten von Bayer und Targenomix die Pflanzenschutzforschung in den kommenden Jahren massiv voranbringen wird.
Burgert: Dadurch wird das Tempo in der Forschung und Entwicklung weiter angezogen und zu viel schnelleren Entwicklungszyklen führen. Die Kosten werden ebenfalls sinken, da wir die richtigen Wirkstoffe schneller auswählen können. Wir glauben, dass wir in Zukunft eine größere Anzahl an sichereren und spezifischeren Herbiziden sehen werden. Außerdem wird es deutlich mehr neuartige Wirkmechanismen geben, die einen gezielteren Einsatz auf dem Feld ermöglichen. Das wird für den Landwirt und die Gesellschaft von Vorteil sein.

2025 ist bereits in vollem Gange. Was steht in diesem Jahr bei Targenomix an?
Burgert: In diesem Jahr werden wir mehr als zehn neue Wirkmechanismen in Pflanzen bzw. Unkräutern erforschen. Das verlangt noch mehr Fokus und bedeutet auch, dass wir unsere Zusammenarbeit mit zuverlässigen Dienstleistern und unseren Kollegen bei Bayer verstärken müssen. Außerdem wird 2025 ein richtig spannendes Jahr für uns, da wir zusätzlich zu neuen Wirkmechanismen zum ersten Mal selbst Herbizid-Wirkstoffe entwickeln werden!
Klie: Das Team ist sehr motiviert. Es arbeitet mit vollem Einsatz an der Umsetzung unserer ehrgeizigen Ziele. Und wir sind zuversichtlich, dass wir im Jahr 2025 neuartige Ansatzpunkte für ganz neue Herbizide finden werden.

