Im offenen Dialog ist Einfühlungsvermögen wichtiger als Fakten
Ich habe seit Wochen nicht mehr in meinem eigenen Bett in Deutschland geschlafen. Seit Februar reise ich durch die USA und habe bei vielen verschiedenen Veranstaltungen über die neuesten F&E-Innovationen der Division Crop Science von Bayer gesprochen. So habe ich unsere Arbeit beispielsweise landwirtschaftlichen Fachmedien und Branchenvertretern beim Bayer AgVocacy Forum vorgestellt, globale Thought Leaders und Entscheidungsträger beim Alexandria Summit über Innovationen für die menschliche Gesundheit informiert und bei South by Southwest mit jüngeren Teilnehmern gesprochen, die große Ideen lieben, aber nicht unbedingt über einen landwirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Hintergrund verfügen.
Ich habe Vorträge gehalten, an Podiumsdiskussionen teilgenommen und ernsthafte Interviews gegeben, mich aber auch an zahlreichen zwanglosen Gesprächen beteiligt. Ungeachtet der besprochenen Themen versuche ich jedem Gesprächspartner das Gleiche zu vermitteln – es dreht sich nicht alles um mich. Ich möchte wissen, was meinen Gesprächspartner beschäftigt, und eine persönliche Verbindung herstellen.
Dieses ganze öffentliche Auftreten und Fürsprechen ist für jemanden wie mich, der den Großteil seiner Laufbahn außerhalb des Scheinwerferlichts verbracht und unauffällig landwirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsprogramme – oder eine Zeitlang sogar unsere Supply Chain Organisation – geleitet hat, immer noch etwas Neues. Das bedeutet aber nicht, dass ich diese persönlichen Kontakte nicht ungemein schätze.
Immer wenn ich einen dieser HR-„Persönlichkeitstests“ mache, wird meine analytische Denkweise als meine größte Stärke eingestuft – keine große Überraschung. Als zweite große Stärke wird jedoch Einfühlungsvermögen angeführt, was für viele eine Überraschung ist.
Vielleicht rührt das Einfühlungsvermögen aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung. Meine Eltern wanderten von Europa nach Kanada aus, kamen dort mittellos an und arbeiteten sehr hart, um ihrer Familie ein gutes Leben zu ermöglichen. Sie hatten den Horror des Zweiten Weltkriegs überlebt und einer meiner Großväter verschwand in einem Arbeitslager – sie hatten also ausreichend Kummer und Probleme durchlebt. Ich glaube, dass meine Fähigkeit, mich in die Situation anderer einzufühlen, zu einem großen Teil damals entstanden ist, als ich den Geschichten meiner Eltern zugehört habe.
Als ich 14 Jahre alt war, zogen wir wegen der Arbeit meines Vaters von Winnipeg nach New Jersey, wo ich an der Highschool zuerst eine Außenseiterposition innehatte – ich war nicht nur aus einer anderen Stadt, sondern aus einem anderen Land. Ich musste also darum kämpfen, akzeptiert zu werden und Freunde zu finden. Auch meine eigenen Erfahrungen haben mich also ein tiefes Mitgefühl gelehrt und Themen wie Inklusion, insbesondere am Arbeitsplatz, haben mir immer schon am Herzen gelegen.
Diese Fähigkeit, mich in andere hineinzuversetzen, kommt mir in Gesprächen über Wissenschaft und Landwirtschaft in einer oftmals wissenschaftsfeindlich erscheinenden Welt immer wieder zugute.
Ich bin durch Felder gelaufen, die von Schädlingen, Unkräutern oder Krankheiten zerstört wurden, und kann den Wunsch von Landwirten nach besserem Saatgut und besseren Pflanzenschutzmitteln für bessere Ernten vollkommen nachvollziehen. Zugleich verstehe ich auch ihr Bedürfnis, von diesen Produkten bei einer nachhaltigeren Bewirtschaftung unterstützt zu werden, sodass sie ihr Land und wertvolle natürliche Ressourcen für zukünftige Generationen erhalten können.
Ich kann aber auch Verbraucher verstehen, die keinen direkten Bezug zu den Aktivitäten in den Pflanzenzuchtlaboren und auf den Feldern der Landwirte sowie zu den Menschen haben, die dort tätig sind und mit ihrer Arbeit einen positiven Beitrag leisten möchten. Sie lesen Geschichten in den sozialen Medien, die ihnen Angst machen, und auch wenn sie nicht wissen, ob sie wahr oder falsch sind, machen sie sich Sorgen. Sie möchten nur Gewissheit haben, dass ihre Nahrungsmittelversorgung sicher und nachhaltig ist.
Es geht hier nicht um eine Gegnerschaft, denn letztlich wollen wir alle das Gleiche. Wissenschaftler, Landwirte und andere Akteure der Agrarbranche müssen einfach bessere Fürsprecher für die Landwirtschaft werden. Wir müssen Wege finden, die Kluft zwischen den Verbrauchern, die Bedenken wegen des Anbaus ihrer Nahrungsmittel haben, und den Landwirten, die Innovationen für einen weniger ressourcenintensiven, erfolgreichen Anbau benötigen, zu überbrücken. Tatsächlich macht die Technologie die von den Verbrauchern gewünschten Nahrungsmittel erst möglich, also müssen wir uns einfach mehr anstrengen, diese Verbindung für die Verbraucher erkennbar zu machen. Das wird einfacher, wenn es uns gelingt, eine Verbindung auf persönlicher Ebene herzustellen: Einfühlungsvermögen ist ein Türöffner und erst wenn die Tür offen ist, können Informationen ankommen.
Im Gespräch sage ich immer, dass ich nicht behaupte, auf alles eine Antwort parat zu haben, aber stolz darauf bin, für ein Unternehmen zu arbeiten, das das Leben der Menschen durch Wissenschaft besser machen möchte. Bayer will – ebenso wie unsere Landwirte und Partner – eine sichere Nahrungsmittelversorgung gewährleisten. Ich sehe es als meine Aufgabe an, das Leben von Menschen zu verbessern, und dazu gehört auch, anderen verständlich zu machen, warum und wie wir das tun. Und ich bin wirklich dankbar für diese Aufgabe.
Auch wenn ich manchmal mein eigenes Bett vermisse – was Sie sicher nachfühlen können.