Genome Editing: Ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Landwirtschaft
Die aktuelle EU-Gesetzgebung zur Gentechnik entspricht nicht mehr den neusten Technologien. Nun hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Neuregelung gemacht. Warum das wichtig ist, und welche Potenziale die neuen genomischen Verfahren für die Landwirtschaft haben.
Bis heute beruht die europäische Regulierung der Gentechnik in der Pflanzenzucht auf dem Wissens- und Diskussionsstand der 1990er Jahre. Inzwischen sind aber neue genomische Verfahren hinzugekommen. Diese Verfahren, allgemein unter dem Begriff „Genome Editing“ zusammengefasst, bilden natürlich vorkommende Prozesse nach, ändern präzise vorherbestimmte Stellen im Genom und fügen keine artfremden Gene hinzu. Daher ist eine Anpassung der Gesetzgebung dringend notwendig. Die EU-Kommission hat jetzt einen Vorschlag zu diesen Verfahren vorgelegt. Damit geht sie in die richtige Richtung, auch wenn Details noch ausgearbeitet werden müssen.
Denn die neuen Technologien sind ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der immensen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die keinen weiteren Aufschub erlauben. Das Dilemma: Wir Menschen verbrauchen zu viele Ressourcen und befördern die Erwärmung des Planeten, aber gleichzeitig müssen wir eine wachsende und in vielen Gegenden noch immer von Hunger bedrohte Bevölkerung – derzeit 800 Millionen Menschen – ernähren. Hinzu kommen neue Pandemien. Der Herbst-Heerwurm zum Beispiel, der sich seit 2016 in über 100 Länder verbreitet hat, führt nach Angaben der UN-Welternährungsorganisation FAO allein beim Mais weltweit zu Verlusten von jährlich bis zu 17,7 Millionen Tonnen – genug, um Dutzende Millionen Menschen zu ernähren.
Wir müssen also mehr Nahrung erzeugen. Aber es ist keine Option, dafür den Flächen- und Ressourcenverbrauch zu erhöhen – im Gegenteil, wir müssen „mehr mit weniger“ erzeugen. Derzeit nutzen wir etwa 50 Prozent der weltweit bewohnbaren Fläche für die Landwirtschaft. Dieser Anteil muss deutlich geringer werden, denn nur so können wir Raum für CO2-Senken wie Wälder und Moore sowie Refugien für Tiere und Pflanzen schaffen. Gleichzeitig müssen auch auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen das Potenzial zur CO2-Speicherung genutzt und die Biodiversität erhöht werden.
Ziel von Bayer ist es daher, eine regenerative Landwirtschaft zu ermöglichen, die Böden erhält und aufbaut, dabei mit weniger Input auskommt und dennoch die Produktivität und Nahrungsmittelsicherheit erhöht. Ist das Genome Editing hierfür das Allheilmittel? Nein. Wir benötigen Innovationen, die ineinandergreifen: datengesteuerte Anbauinformationen, Pflanzenschutzmittel, die die Umwelt weniger belasten, biologische Lösungen – und eben auch: die besten Pflanzen. Sie müssen widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse, Schädlinge und Pflanzenkrankheiten werden, gute Ernten erlauben und zugleich Verbraucher überzeugen, zum Beispiel durch einen höheren Nährwert oder besseren Geschmack. Um diese großen Aufgaben zu bewältigen, brauchen wir zielgenauere und effizientere Züchtungsmethoden.
Die neuen Techniken haben erhebliches Potenzial da sie präziser sind, vielfältigere Lösungen anbieten, und Züchtungsprozesse effizienter machen. Dies ist eine Chance auch für kleine Züchter und sogar öffentliche Forschungseinrichtungen in Ländern mit kleinem Forschungsbudget, die sich diese Technologie zunutze machen können. Wir sehen das schon zum Beispiel in Afrika, wo lokale Sorten und Pflanzen, die für die Grundversorgung der Bevölkerung wichtig sind, von einheimischen Forschern und Züchtern verbessert werden. Diese Züchtungsmethoden sind tatsächlich eine demokratische Technologie, so sehen es inzwischen Vertreter aus allen Bereichen der Landwirtschaft. Zudem beruhen die Eigenschaften der Pflanzen, die durch diese Technologien hervorgebracht werden, nicht auf der Einführung neuer Genkonstrukte, sondern auf Mutationen, wie sie auch durch klassische Züchtung oder auf natürliche Weise entstehen könnten – nur, dass es mit Genome Editing präziser, kostengünstiger und schneller geht. Heute kann es bis zu zwölf Jahre dauern, eine Weizensorte an klimatische Veränderungen anzupassen. Mit Genome Editing ginge dies schneller.
Ein Beispiel für bereits existierende neue Pflanzensorten ist CoverCress™, eine mit Genome Editing aus dem Acker-Hellerkraut entwickelte neuartige Zwischenfrucht, die der regenerativen Landwirtschaft nutzt. Sie wird im Winter in die Fruchtfolge zwischen Mais und Soja aufgenommen, konkurriert damit nicht mit der Nahrungsmittelproduktion und reduziert den Stickstoffverlust, speichert Kohlenstoff im Boden und verbessert die Bodengesundheit. Anders als andere Zwischenfrüchte liefert sie zudem Öl für die Biotreibstoffherstellung und bietet dadurch einen finanziellen Anreiz für Landwirte, diese nachhaltige Praktik umzusetzen.
Bislang waren solche Sorten für europäische Landwirte tabu. Der Vorschlag der EU-Kommission kann die Tür öffnen, dass diese Technologien endlich auch in Europa auf breiter Basis genutzt werden können, von akademischen Forschungseinrichtungen ebenso wie von großen und kleinen Saatzuchtbetrieben. Nur so kann Europa international Schritt halten, denn anderswo wird längst erfolgreich praktiziert, worüber wir bislang nur diskutiert haben. Und im Übrigen wollen wir bei Bayer transparent sein: Saatgut, das mit Hilfe von Genome Editing erzeugt wurde, wird auch entsprechend für die Landwirte gekennzeichnet.