Was verbindet die nächste Generation von Wissenschaftlern, Aktivisten und Landwirten?
Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) haben eine relativ kurze Geschichte, aber eine beeindruckende und weitreichende Wirkung: sie können beim Kampf gegen den Klimawandel helfen, Unterernährung bekämpfen und auch bedrohte Sorten erhalten, zum Beispiel die moderne Papaya. Welche Bedeutung hat die Gentechnik für unsere Ernährung, unsere Familien und unsere Zukunft?
Denn die leckere Tropenfrucht wurde durch einen aggressiven Virusausbruch im Jahr 1998 nahezu ausgerottet. Genetisch veränderte Papayas, übrigens ein Resultat der Forschungsarbeit von Wissenschaftlern an der University of Hawaii, machen heute 80 Prozent des verfügbaren Bestandes aus. Dies ist nur ein kleines Beispiel, veranschaulicht aber eine unumstößliche Tatsache: Gentechnik hat einen Einfluss auf die Lebensmittel, die wir essen und die Welt, in der wir leben. Trotzdem ist diese Technologie noch relativ jung, genauso wie auch einige ihrer größten Befürworter.
In diesem Jahr beschäftigen wir uns mit der Geschichte von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und stellen uns gleichzeitig vor, was in Zukunft möglich sein könnte. Wir haben mit einer neuen Generation von Wissenschaftlern, Aktivisten und Landwirten gesprochen, die in einer von Biotechnologie geprägten Welt aufgewachsen sind und ihre eigene Position zu dieser innovativen Technologie entwickelt haben. Jede dieser Personen hat ihre Hoffnungen in Bezug auf die Zukunft: von größeren Ernten über geringere Umweltbelastungen bis hin zu gesünderem Gemüse und dürreresistentem Saatgut. Was sie eint, ist ihr Optimismus. Sie alle glauben, dass die Biotechnologie ein unverzichtbares Instrument ist, um die Zukunft der Lebensmittel, der Familien und des Planeten zu verbessern.
Wenn man es genau nimmt, ist die Larna Schnitker aus Middletown in den USA eine Studentin. Doch eigentlich zählt sie nur noch die Tage, bis sie wieder auf die Farm ihrer Familie im US-Bundesstaat Missouri zurückkehren kann. Der Ort, an dem sie sich am wohlsten fühlt. „Ich bin auf dieser Farm aufgewachsen und war mein ganzes Leben hier. Schon von klein auf liebe ich die Landwirtschaft. Ich denke, diese Leidenschaft wurde über viele Generationen an mich weitergegeben, angefangen bei meiner Urgroßmutter, die die Farm 1948 gekauft hat“, erklärt sie. Für Larna Schnitker sind die Geschichten über die Farm und die Art und Weise, wie sie über all die Jahre bewirtschaftet wurde, eine Konstante in ihrem Leben. „Ich stamme aus einer langen Reihe von Frauen mit einer gewissen Sturheit ab und bin stolz darauf, dieses Erbe fortzuführen“, scherzt sie.
Larna Schnitker hofft, eines Tages den Familienbetrieb zu übernehmen und ihn an ihre eigene Enkelin weiterzugeben, aber in der Zwischenzeit hat sie selbst erlebt, wie sich die Landwirtschaft im Laufe der Jahre weiterentwickelt hat. „Das erste, was mein Interesse an der Farm geweckt hat, war, meinen Vater zu begleiten. Ich habe viele Stunden auf dem Traktor neben meinem Vater oder mit meiner Mutter auf dem Mähdrescher verbracht“, erinnert sie sich. Dabei war sie schon immer mit dem Zeitmanagement auf der Farm genau vertraut. Sie hat hautnah mitbekommen, wie ihre Familie die Anzahl der Traktorfahrten deutlich reduzieren konnte. „Wir konnten unseren Arbeitsaufwand und die Anzahl der benötigten Traktoren spürbar herunterfahren und wir waren in der Lage, unseren Betrieb schneller zu erweitern als einige unserer Nachbarn. Ganz einfach, weil wir effizienter arbeiteten“, erklärt sie. Der Unterschied zwischen der Farm ihrer Familie und denen ihren Nachbarn? Gentechnisch verändertes Mais- und Sojasaatgut.
„Am bemerkenswertesten sind die höheren Erträge“, sagt sie. „Wenn ich mich für einen Maishybriden entscheide, den ich auf meinem Feld anbaue und der bestimmte Merkmale aufweist, wie zum Beispiel Resistenzen gegen bestimmte Würmer, bedeutet das für mich als Erzeugerin weniger Fahrten über das Feld. Es bedeutet auch geringere Auswirkungen auf die Umwelt. Wir können so Ressourcen sparen und müssen zum Beispiel weniger Pflanzenschutzmittel aufbringen. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen haben es uns ermöglicht, kosteneffizienter zu sein und eine bessere Ernte mit höheren Erträgen zu produzieren.“
Seit 1996 ist die Verwendung des Wirkstoffs von Pflanzenschutzmitteln bei gentechnisch veränderten Kulturpflanzen um 776 Millionen Kilogramm zurückgegangen – dies entspricht einer Reduzierung um 8,6 %. Die Auswirkungen auf die Umwelt im Zusammenhang mit dem Einsatz von Herbiziden und Insektiziden ist um 19 % zurückgegangen.
Mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte, in denen sie einige Entscheidungen auf der Farm treffen wird, ist Larna optimistisch gegenüber einer neuen Generation von Agrartechnologie und deren Auswirkungen auf ihre Familie „Es gibt das Potenzial, verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Pflanzen zu nutzen. Das könnte Dünger und flüssig ausgebrachte Mikronährstoffen umfassen, aber auch neue GPS-Technologie“, meint sie. Bezüglich der Biotechnologie ist Larna gespannt, was die nächsten Jahre an Innovationen bringen werden. „Wir versuchen wirklich, alle uns zur Verfügung stehenden Technologien zu nutzen, um optimal zu wirtschaften.“
Neue Technologien haben Dr. Christine Shyu schon immer begeistert und sie zu ihrer Arbeit bei Bayer gebracht. „Ich habe mich früher gerne mit Pflanzen beschäftigt und Setzlinge gezüchtet.“, erzählt sie. „Zur Universität bin ich gegangen, weil ich die Interaktion zwischen Pflanzen, Insekten und Pflanzenhormonen studieren wollte. Ich fand das gesamte Konzept und die Auswirkungen der Technologie total spannend.“
Dr. Shyu erkannte, dass neue Technologien einen echten, spürbaren Einfluss auf das Leben von Menschen auf der ganzen Welt haben können. „Zu wissen, dass die Arbeit, die ich tue, einen Einfluss hat, und zwar nicht nur auf eine kleine Gemeinschaft – sondern einen umfassenderen und gleichzeitig positiven, das ist etwas, was mich sehr motiviert“, sagt sie.
Christine Shyu betont dabei, dass der wesentliche Prozess der gentechnischen Veränderung etwas sei, das die Menschen seit Jahrhunderten zu entschlüsseln versuchten. Sie beschreibt ihn als die neueste Technologie in einer kontinuierlichen Abfolge von Fortschritten, von denen sie ein Teil ist. „Ich verwende gerne eine Kaffee-Analogie. Was tun Sie, wenn Sie in eine neue Stadt kommen und eine Tasse Kaffee trinken möchten? Früher sind Sie einfach herumgelaufen in der Hoffnung, ein Café zu finden. Und Sie haben dann wahrscheinlich auch eines gefunden und dort Ihren Kaffee bestellt. Aber das ist ein eher zufälliges Vorgehen.“ Was die neuen Biotechnologien von der Zufälligkeit der Pflanzenzüchtung unterscheide, sagt sie, sei die Möglichkeit, einen speziellen Weg zu beschreiten, der genau und schnell zu dem gewünschten Ergebnis führt. „Heute öffne ich eine App, gebe „Kaffee“ ein, rufe den Stadtplan auf, und schon finde ich mein neues Lieblingscafé.”
Im Schnitt dauert es 13 Jahre und kostet 130 Millionen US-Dollar, bevor genverändertes Saatgut auf den Markt kommt.
Für Shyu liegt der eigentliche Reiz darin, die gewünschten Pflanzeneigenschaften zu designen. „Es ist wirklich wichtig zu verstehen, dass es ganz unterschiedliche Bedürfnisse gibt, dass wir die spezifischen Bedürfnisse einer Gruppe oder einer Region kennen und somit helfen können, ein bestimmtes Problem mit verschiedenen maßgeschneiderten Lösungen anzugehen.“ Diese Bedürfnisse können klimatisch bedingt sein, wie zum Beispiel Pflanzen, die Überschwemmungen widerstehen müssen, oder auch gesundheitsbezogen, wie beispielsweise Gemüse mit einem höheren Nährwert. Oder auch, die Papaya für zukünftige Generationen zu bewahren.
Natürlich ist die Papaya im Vergleich zum Kampf gegen den Klimawandel oder dem Schutz der Artenvielfalt nur zweitrangig, aber diese Ziele haben etwas gemeinsam. Es geht darum, das was uns wichtig ist, für künftige Generationen zu bewahren. Das liegt Christine Shyu sehr am Herzen. „Ich habe einen dreijährigen Sohn. „Alle Eltern möchten ihre Kinder ernähren und ihnen das beste und gesündeste Essen bieten. An die nächste Generation zu denken, genau das motiviert mich“, sagt sie.
Der ruandische Aktivist und Agripreneur Pacifique Nshimiyimana sieht die Biotechnologie als eine Chance, die Zukunft seines Landes zu verändern. Doch der Impuls, sich damit zu beschäftigen, kam von aus der Generation seiner Großmutter. „Die Frage war, wie ich meiner Oma, meinen Tanten und meinen Verwandten dabei helfen kann, mit der Bananenproduktion ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können?“ Nshimiyimana wuchs auf der Bananenplantage seiner Großmutter auf, einem Teil der Welt, in dem Bananen prinzipiell ein wichtiger Teil der Ernährung sind. „Ich erinnere mich an den Tag, an dem meine Großmutter mir beibrachte, wie man Bananensaft macht. Ich ging die ganze Zeit herum und suchte nach Bananen, nur um den Saft zu pressen“, erinnert er sich lachend.
Für Pacifique Nshimiyimana war dies der Beginn des lebenslangen Ziels, die Grundnahrungsmittel, das Einkommen und die Lebensweise in seiner Kommune zu erhalten. „Die Banane ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen, da sie die Grundlage für eine Reihe von Nahrungsmitteln ist. Sie ist eine Einkommensquelle, aber vor allem ist sie eine der Zutaten in unserer traditionellen Küche“, erklärt er. „Bananenbier zum Beispiel spielt eine große Rolle bei all unseren traditionellen Feierlichkeiten, ob Hochzeiten, Geburtstage oder bei viele anderen traditionellen Bräuchen unserer Kultur.“
Aber so wichtig diese Bananen für die Kommunen auch sind, sie sind bedroht. Zum einem durch Schädlinge, durch die Panamakrankheit und schlussendlich durch die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Durch den Kontakt mit Aktivisten auf der ganzen Welt fand Pacifique Nshimiyimana heraus, dass andere Länder diese Herausforderungen mit Hilfe von gentechnisch verändertem Saatgut erfolgreich bewältigt hatten. In Ruanda aber war diese Technologie noch nicht eingeführt worden. „Einige meiner Freunde aus Kenia haben mich darauf aufmerksam gemacht, und ich dachte mir: Das ist die Lösung! Darauf sollten wir unsere Produzenten aufmerksam machen.“ Gentechnisch verändertes Saatgut bot das Potenzial, nach dem Nshimiyimana gesucht hatte. Er beschreibt es als Weckruf. „Wir leiden zwar, aber es gibt eine Lösung. Jetzt liegt es an uns in Ruanda und in ganz Afrika, diese Lösung zu nutzen und unsere Plantagen zu schützen. Denn sie sind sehr anfällig für den Klimawandel”, sagt er.
Die Biotechnologie ist eine Möglichkeit, sich gegen diese Bedrohungen zu schützen, Bananen, die zum Beispiel gegenüber der Panamakrankheit resistent sind, können einen Weg in die Zukunft weisen. Nicht nur, um die Traditionen von Pacifique Nshimiyimanas Kommune zu schützen, sondern auch, um die Ernten und den Lebensunterhalt von Bauern zu sichern. „Ich habe eine Plantage, die über 70 Jahre alt ist. Diese Plantage übernahm ich von meiner Großmutter und sie übernahm sie von ihren Eltern. Dass einige Sorten aussterben werden, wollen die älteren Generationen nicht einmal hören“, sagt er.
Aber durch die Zusammenarbeit mit anderen Aktivisten und Agripreneuren auf der ganzen Welt hat Nshimiyimana neue Hoffnung geschöpft, dass junge Menschen wie er der Beginn von weitreichenden Veränderungen sein können. „Ich habe die Hoffnung, dass sich die Dinge ändern, und ich glaube vor allem an die afrikanische Jugend. Sie will vorankommen und Dinge verändern.“
Die Wissenschaft der gentechnisch veränderten Organismen mag abstrakt wirken, aber die Realität ist, dass Technologien wie diese mit den wichtigsten und grundlegendsten Zielen der Menschheit in Einklang stehen: Bekämpfung des Klimawandels, Beseitigung von Unterernährung und die Bereitstellung von Hilfsmitteln für Landwirte, damit diese genügend Nahrungsmittel anbauen können und dabei weniger natürliche Ressourcen verbrauchen. Was die Biotechnologie in den 25 Jahren seit ihrer Einführung in Bezug auf diese Ziele erreicht hat, ist bemerkenswert, und sie ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie sich Lebensmittel und die Landwirtschaft zum Besseren verändern. Da neue Technologien und Innovationen jetzt noch schneller auf den Markt gelangen, wird es interessant sein zu sehen, was die nächsten 25, 50 oder sogar 100 Jahre für die Zukunft der Landwirtschaft bereithalten werden.