Mitte der 1940er-Jahre rief der US-amerikanische Vizepräsident Henry Wallace ein Programm ins Leben, das Entwicklungsländer dabei unterstützen sollte, ihre wachsende Bevölkerung zu ernähren. Dr. Norman Borlaug war einer der vier Wissenschaftler, die an dem Programm beteiligt waren.
Auf Basis traditioneller Anbaumethoden entwickelte Borlaug einen Züchtungsprozess, der Pflanzen dank neuartiger Bewässerungs- und Anbautechniken ertragreicher machte. Als ertragreiche Getreidesorten in den 1960er-Jahren weltweit verbreitet wurden, waren die Vorteile der sogenannten Grünen Revolution offensichtlich.
Ein neues Herbizid auf Basis des Wirkstoffs Glyphosat wurde entwickelt. Das glyphosatbasierte Herbizid mit dem Markennamen Roundup® wird von Landwirt*innen weltweit zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Mittlerweile wird es auch bei Rasen- und Gartenprodukten genutzt und ermöglicht so die Unkrautbekämpfung auf Bürgersteigen, Einfahrten, in Gärten und an Zäunen.
Der erste Rotormähdrescher wurde von Sperry New Holland auf den Markt gebracht. Damit konnten die Nutzpflanzen nun direkt auf dem Feld gleichzeitig gemäht und getrennt werden. Bei Mais trennte der Mähdrescher nicht nur die Schalen von den Ähren, sondern schlug auch die Körner aus und schnitt die Halme ab. Landwirt*innen konnten so Unmengen an Zeit, Energie und Ressourcen einsparen.
Als weltweit erstem Unternehmen gelang es Monsanto, Pflanzenzellen genetisch zu verändern. Das Team an Wissenschaftler*innen konnte mit Hilfe von Agrobakterien ein neues Gen in die Zellen der Petunie übertragen. Im darauffolgenden Jahr verkündeten sie ihren Erfolg. Innerhalb von fünf Jahren wurden zum ersten Mal gentechnisch veränderte Nutzpflanzen auf dem Feld angebaut – Tomaten, die gegenüber Insekten, Viren und Pflanzenschutzmitteln resistent waren. Der 1982 erstmals erprobte Gentransfer mithilfe von Agrobakterien ist eine Methode, die noch heute von Wissenschaftler*innen bei Bayer und vielen anderen in der Agrarindustrie genutzt wird.
Zum ersten Mal konnten Landwirt*innen Satellitentechnik nutzen, um ihre Betriebe aus der Vogelperspektive zu betrachten. Diese lieferte ihnen neuartige Einblicke. Mithilfe dieser Daten konnten sie den Ertrag ihrer Felder besser nachverfolgen und strategisch für die nächste Saison planen.
Nachdem die Sicherheit und der Ertrag jahrelang getestet wurden, erhielten Landwirt*innen Zugang zu den ersten genetisch veränderten Reihenkulturen. Neben Baumwolle, die sich besser vor schädlichen Insekten schützen konnte, wurden auch neuartige Sojabohnen und Pflanzenschutzlösungen entwickelt. Landwirt*innen konnten nun invasives Unkraut, das sonst die Nutzpflanzen verdrängt und ihnen Anbaufläche, Wasser, Sonnenlicht und Nährstoffe aus dem Boden gestohlen hätte, gezielt bekämpfen.
Wie viele Menschen begannen auch Landwirt*innen überall auf der Welt, Mobilgeräte mit sich zu tragen, um mit ihren Kollegen auf dem Feld in Kontakt zu bleiben. Dadurch standen ihnen auch unterwegs Daten zur Verfügung. Zum einen konnten Kleinbäuer*innen zum ersten Mal Saatgut und Düngemittel zu jeder Zeit und von jedem Ort bestellen, zum anderen stand ihnen wichtige landwirtschaftliche Beratung zur Verfügung und sie konnten ihre Lebensgrundlagen durch faire Handelspreise sichern.
Drohnen, Roboter und "intelligente" Traktoren
Nach der Einführung von GPS Mitte der 1990er-Jahre brachten große Landmaschinenhersteller selbststeuernde und weitere automatisierte Funktionen in Traktoren, Spritzgeräten und Mähdreschern auf den Markt. Diese wurden von Landwirt*innen weltweit adaptiert. Anfang der 2000er wurden vom Boden aus gesteuerte und unbemannte Luftfahrzeuge (Drohnen) auf landwirtschaftlichen Betrieben getestet. Zunächst wurden sie zur Erstellung von Karten zur Zuordnung der Pflanzen eingesetzt und dann auch für Crop-Scouting, die Aussaat und den Pflanzenschutz. Zusammen ermöglichen diese Technologien den Landwirt*innen bis auf den Quadratmeter genaue Präzisionsarbeit und Effizienz beim Anbau. Heutzutage werden Drohnen von Groß- und Kleinbauern überall auf der Welt eingesetzt.
Der Zugang zu Echtzeit-Daten ermöglicht es Landwirt*innen, sachkundigere Entscheidungen zu treffen und somit ihre Ressourcen nachhaltiger einzusetzen. FieldView™ ist eine digitale Plattform, die Betriebsdaten und landwirtschaftliche Modelle mit lokalen Wetter- und Bodenbedingungen abgleicht, damit Landwirt*innen ein tieferes Verständnis ihrer Felder gewinnen können. Dadurch steigt das Ertragspotenzial und gleichzeitig kommt es unserem Planeten zugute. Heutzutage erfassen Landwirt*innen mithilfe von FieldView™ ihre nachhaltigen Anbaupraktiken und sogar die Menge an CO2, die sie in ihrem Boden speichern – ein entscheidender Schritt im Kampf gegen den Klimawandel.
Pflanzenzüchtung 2.0
Seit vielen tausend Jahren kultiviert der Mensch Pflanzen. Doch durch das neue Verständnis über das Genom einer Pflanze können Pflanzenzüchter*innen viel effizienter arbeiten als jemals zuvor. Dabei helfen modernste Techniken wie die markergestützte Selektion, Data Science und Predictive Analytics. Das Verfahren der sogenannten Präzisionszucht bringt Nutzpflanzen hervor, die ein größeres Ertragspotenzial haben und Schädlingen, Unkraut, Krankheiten und ungünstigen Witterungsbedingungen gegenüber widerstandsfähiger sind. Short Stature Corn (Kurzhalm-Mais) zum Beispiel hat eine geringere Höhe und dadurch eine bessere Stabilität bei starkem Wind. Außerdem eignet er sich so perfekt zur Ernte mit dem Mähdrescher. Das ist ein wichtiger Schritt, um Lebensmittelverluste auf dem Feld zu verhindern.
Den beiden Forscherinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier gelang im Jahr 2012 ein wissenschaftlicher Durchbruch – die Entdeckung der Genschere CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats). Hierfür wurden sie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Diese Technologie macht sich die natürlichen Zellmechanismen der DNA-Reparatur zunutze und ermöglicht Wissenschaftler*innen, ein biologisches Genom zu modifizieren, indem sie bestimmte Eigenschaften „ein-“ oder „ausschalten“. Heute wird die Technologie der Genom-Editierung von Pflanzenwissenschaftler*innen eingesetzt, um Saatgut mit immer vorteilhafteren Eigenschaften detailgenau zu entwickeln. Dazu gehören ertragreichere Ernten oder bestimmte Qualitätsprofile, Resilienz gegenüber Krankheiten und Schädlingen, und sogar Klimaresistenz.
Dank Fortschritten in der Datenanalytik haben Forscher*innen unglaublich große Schritte in Richtung eines produktiveren und widerstandsfähigeren globalen Ernährungssystems gemacht. Diese digitalen Werkzeuge eröffnen völlig neue Möglichkeiten beim Pflanzenschutz, in der Pflanzenzucht und vielem mehr – es gibt unendlich viele Anwendungsbereiche. Anstatt also zum Beispiel Hunderttausende an vielversprechenden Pflanzenschutz-Molekülen zu prüfen, können Wissenschaftler*innen bei Bayer jetzt völlig neue Moleküle entwickeln, die bereits bestimmte Profile wie Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit aufweisen. Diese grundlegenden Veränderungen in der Entdeckung der kleinen Moleküle sorgen für bahnbrechende Ergebnisse, zu denen auch die Entdeckung der ersten neuen Herbizid-Wirkungsweise seit 30 Jahren gehört.
Die "Cloud" vernetzt die Welt
Nicht nur die Landwirtschaft selbst profitiert von den sich stetig weiterentwickelnden Innovationen. Fortschritte im Cloud-Computing und Datenmanagement-Lösungen können auch nachhaltige Praktiken im Betrieb mit den Wertschöpfungsketten der Bereiche Lebensmittel, Futtermittel, Fasern und Treibstoff vernetzen. Dadurch entsteht für die Konsumierenden, die wissen wollen, wo ihre Produkte herkommen, eine größere Transparenz. Bayer und Microsoft sind eine strategische Partnerschaft eingegangen, um diesem wachsenden gesellschaftlichen Bedarf mit neuen Lösungen zu begegnen und nachhaltige Beschaffung, Herstellung und verbesserte Lieferketten sowie ESG-Monitoring und Messungen zu unterstützen.
Die Macht der "-omiks"
Bei den „-omiks“ handelt es sich um eine Sammlung von Werkzeugen, mit denen Systeme detailgenau studiert werden können. Bei Crop Science nutzen wir diese Werkzeuge, um zu verstehen, wie komplexe biologische Systeme funktionieren – Genomik (Gencodes), Transkriptomik (Genexpression), Proteomik (Proteine) und Metabolomik (kleine Moleküle) – und entwickeln bahnbrechende Innovationen, die genauso komplexen Herausforderungen begegnen. So haben Forschende bei Bayer die „-omiks“ genutzt, um die erste RNA-Interferenz-basierte Lösung für eine wichtige Nahrungspflanze zu entwickeln: eine neue biotechnologische Eigenschaft in Mais, die es ermöglicht, den Maiswurzelbohrer zu kontrollieren.
Überall auf der Welt weiten Landwirt*innen das Potenzial der Landwirtschaft auf ungenutzte Orte aus. Dazu gehören Dächer in Städten, der Anbau im Innenbereich und Orte wie Wüsten, die zuvor als nicht bebaubar galten. Eine Indoor-Farm schützt Pflanzen nicht nur vor Umweltstressoren wie Schädlingen, Krankheiten und Wetterextremen, sie ermöglicht Landwirt*innen auch einen Anbau auf deutlich kleinerer Fläche und mit einem geringeren Ressourcenverbrauch. In Städten und sogar der Stratosphäre der Wüste werden Pilotprojekte für ähnliche Closed-Loop-Systeme durchgeführt (zum Beispiel unser Marana Greenhouse). Dachgärten bieten die Möglichkeit, Lebensmittel lokaler zu produzieren, die Lufttemperaturen zu senken und die Luftqualität in städtischen Gebieten zu verbessern. Dies sind Beispiele für nötige grundlegende Fortschritte, um eine nachhaltigere Zukunft auf der Erde voranzutreiben.