direkt unter unseren Füßen
Weltweit verzeichnen wir einen Rückgang von fruchtbarem Boden, der für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Landwirte setzen daher auf nützliche Bakterien, um Nutzpflanzen und ganze Ökosysteme gemeinsam gedeihen zu lassen.
Zwanzig Jahre harte Arbeit, vernichtet in ein paar Tagen: Genau das ist dem australischen Landwirt Robert Hinrichsen durch eine gewaltige Überschwemmung passiert.
Sein Unternehmen Kalfresh im Bundesstaat Queensland zählt zu den führenden Gemüseproduzenten Australiens. Auf 1400 Hektar wird dort ganzjährig Gemüse angebaut. Seit Hinrichsen und sein Vater das Unternehmen 1992 gründeten, ging es mit der Produktion stetig bergauf, bis der Tropensturm Oswald die Region acht Tage lang überflutete. Mehr als ein Drittel des Ackerlands war abgetragen, erinnert sich Hinrichsen. Angesichts der Zerstörung seines Betriebs wurde ihm jedoch nach einiger Zeit bewusst, dass die einzige Lösung für ein so umfassendes Wiederaufbauprojekt direkt unter seinen Füßen lag: nämlich Mikroorganismen.
Kalfresh baute den Ackerboden wieder auf – mithilfe der Biologie des Bodens.
Böden bestehen aus drei Komponenten: einer physischen (der Boden selbst, bestehend aus Steinen, Sand, Tonerde und/oder Lehm), einer chemischen (mineralische Nährstoffe) und einer biologischen (nützliche und pathogene Mikroorganismen). Hinrichsen verteilte frische Erde auf seinem Land und ergänzte diese durch Düngemittel mit chemischen Mineralien. Doch die Biologie des Bodens muss entwickelt und gepflegt werden, erklärt er: „Die richtigen Mikroorganismen sind unverzichtbar, um den Ackerboden langfristig zu erhalten und Nutzpflanzen anzubauen.”
Die unzähligen Arten nützlicher Bakterien im Boden erbringen unzählige essenzielle und ergänzende Leistungen, mit denen sie zur Gesundheit der Ökosysteme beitragen – einschließlich landwirtschaftlicher Betriebe.
Mikroorganismen unterstützen Landwirte, indem sie:
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die Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit des Bodens erhalten |
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Nutzpflanzen helfen, essenzielle Nährstoffe aufzunehmen |
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Bodenerosion verhindern |
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Pflanzenkrankheiten entgegenwirken |
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Pflanzenkrankheiten entgegenwirken |
Gemeinsam stark
Biodiversität ist die Grundlage allen Lebens auf unserem Planeten – und der Boden ist ihr Hotspot. Richtig gesteuert schaffen die dynamischen und im konstanten Wandel befindlichen Interaktionen zwischen den Bodenorganismen genau die Bedingungen, unter denen Nutzpflanzen und ganze Ökosysteme gedeihen können.
25 Prozent alles Lebens
Um seine Felder wiederherzustellen, verteilte Hinrichsen Mikroorganismen aus Hühnerdung. Außerdem säte er Getreidepflanzen, die weniger Mineralien benötigen und dem Boden daher weniger abverlangen. Er baute spezielle Nutzpflanzen wie Kichererbsen an, die in Symbiose mit Knöllchenbakterien leben. Diese werten stickstoffarme Böden auf und erhalten so deren Fruchtbarkeit. Schließlich fügte Hinrichsen biologische Produkte wie Bakterien des Stammes Bacillus subtilis hinzu, die Stickstoff binden.
Für Hinrichsen beruhte die Wiederbelebung von Kalfresh Farms nicht auf einer einzelnen Lösung, nicht einem einzelnen Produkt – es war eine kontinuierliche Anstrengung nötig, die sich dauerhaft positiv auf seinen Betrieb auswirkt. „Es waren viele Maßnahmen, die den Boden erneuert haben“, ergänzt er. Hinrichsens wachsender Erfolg erklärt sich durch die konsequente Balance zwischen intensiver Landnutzung und der Hilfe von zahllosen Mikroorganismen, die er auf seinen Feldern einsetzt. Und genau diese einzigartige Balance macht aus seinem Fall ein spannendes Beispiel dafür, wie landwirtschaftliche Betriebe weltweit Mikroben nutzen können, um die wertvollen Böden zu erhalten.
Nützliche Mikroben helfen Pflanzen dabei, Nährstoffe nutzbar zu machen, zu steuern und im Boden zu verteilen – für ein florierendes Ökosystem unter unseren Füßen.
Leben unter unseren Füßen
Experten für Ackerboden und Biologika stellen für Landwirte unverzichtbare Informations- und Wissensquelle dar – unabhängig davon, ob sie vor unmittelbaren Herausforderungen stehen oder einfach nachhaltigeren Ackerbau betreiben möchten. Dave Lanciault, CEO von Agricen Sciences in Frisco im US-Bundesstaat Texas, ist fasziniert davon, wie gesünderer Boden zu ertragreicheren Ernten führt. Er erklärt, dass es in gesundem Boden nur so vor Lebensformen wimmelt, die ihn erhalten. Das betrifft die bereits im Boden bestehende Gemeinschaft von Mikroorganismen ebenso wie jene, die hinzugefügt werden können, um diese Gemeinschaft zu stärken.
Durch seine Arbeit mit Agricen unterstützt Lanciault weltweit Kunden aus der Landwirtschaft, die unter ganz unterschiedlichen Acker- und Klimavoraussetzungen arbeiten. Die Herausforderungen vieler Landwirte sind in hohem Maße lokaler Natur – und nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. So kommt es beispielsweise vor, dass der Boden eines Landwirts zwar Nährstoffe enthält, die Pflanzen diese aber nicht aufnehmen können. Dies kann zum Beispiel am pH-Wert des Bodens liegen oder auch an ganz anderen Faktoren, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind.
Daher entwickeln Lanciault und sein Team auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen Biostimulanzien, die den Landwirten helfen, mit diesen Bedingungen zurechtzukommen. Ein Beispiel dafür ist einer der wichtigsten chemischen Prozesse überhaupt: die Stickstofffixierung. Bei diesem bakteriellen Vorgang wird gasförmiger Stickstoff aus der Atmosphäre (N2) in für Pflanzen und Mikroorganismen verwertbare Formen umgewandelt. Biostimulanzien und andere Verfahren zur Aufwertung des Ackerbodens können diesen Prozess beschleunigen. Das Ergebnis, so bestätigt er, rechtfertigt den Aufwand. „Wir sprechen hier über einen langfristigen Ansatz, die Bodenstruktur des Ackers so zu gestalten, dass sie sich selbst erhalten kann – und gesündere, stärkere Pflanzen gedeihen lässt.“
Eine breite Perspektive einnehmen
Dr. Denise Manker teilt die Überzeugungen von Lanciault. Sie war an der Gründung von AgraQuest beteiligt, einem Biotech-Unternehmen, das einige der ersten kommerziellen mikrobiellen Lösungen für Ackerböden entwickelt hat. Heute ist Manker Senior Science Fellow für Biologika bei Bayer, wo sie an spezifischen Biologika mit nachgewiesenem Nutzen für den Boden forscht.
Besonders begeistert ist Manker von der Zusammenarbeit mit ihren Kollegen in Australien und Brasilien, die spektakuläre Ergebnisse durch die Veränderung von Mikroorganismen im Ackerboden beobachtet haben. Dabei stellt sie klar: „Es geht nicht nur um den Ernteertrag. Wir erhalten gesündere Pflanzen, die in einem gesünderen Ackerboden wachsen.“ Sie fügt hinzu, dass diese Pflanzen auch im Supermarktregal länger haltbar seien. „Erzeugnisse, die zehn bis vierzehn Tage natürlich haltbar sind, anstatt nur sieben wie in der Vergangenheit, reduzieren die Lebensmittelverschwendung.“ Und es gibt eine weitere gute Nachricht: Manker zufolge deuten wissenschaftliche Ergebnisse sogar darauf hin, dass diese gesunden Pflanzen mehr Eisen, Kalzium und andere Mineralien enthalten.
Für Manker führt die Arbeit mit Mikroben zu nachhaltiger Landwirtschaft: „Von Biologika profitieren Landwirte, Verbraucher und die Umwelt. Wir lernen gerade erst richtig, wie wir mit dem Boden umgehen sollten, der die Nahrung für uns alle produziert.“
Zahllose Mikroben – und Möglichkeiten
Mikroorganismen können in vielerlei Hinsicht helfen. Landwirte können ihre Ackerböden nach Naturkatastrophen wiederaufbauen und widerstandsfähiger machen. Experten verstehen mittlerweile immer besser, wie Mikroben die Pflanzen dabei unterstützen, Nährstoffe zu nutzen und zu metabolisieren, die ansonsten unerreichbar für sie wären. Innovative Vordenker entwickeln mikrobielle Lösungen, die die Biodiversität und Fruchtbarkeit des Bodens verbessern und so ein Potenzial für ertragreichere Ernten schaffen. Wenn all das zusammenkommt, ergeben sich vielversprechende Chancen für die Zukunft. Und das beste dabei: Wir haben gerade erst an der Oberfläche dessen gekratzt, was man mithilfe von Mikroben erreichen kann.